Der Lehrerverband wurde einst von Josef Kraus angeführt.Wie er die heutige Bildungsmisere einschätzt, damit beschäftigt sich dieser Artikel.
Schüler, die Honecker und Hitler verwechseln, geschichtliche Epochen und Zeiträume nicht mehr in Zusammenhang bringen können, Schulstoff aus Grundschultagen, der in den höheren Klassen noch gelehrt wird, eine unterirdische Rechtschreibung und ein Allgemeinwissen, das diesen Namen oft nicht verdient: die Bildung in unserem Land liegt lange schon am Boden. Aber erst seit Kurzem ist diese Tatsache – die Bildungsmisere – Gegenstand öffentlicher Debatten.
Die Politiker – natürlich! – ergießen sich in gegenseitigen Schuldzuweisungen oder treten – wie in Sachsen – einfach ab, wenn es brenzlig wird und überlassen anderen das angerichtete Chaos. Die Medien titeln ohne Unterlass etwas zum Thema, aber nur wenige sind so offen und benennen die Faktoren, die das Ganze auf die schiefe Bahn gelenkt haben.
Denn das Bildungschaos kam keineswegs schleichend, sondern etablierte sich über viele Jahre hinweg.
Ex-Präsident Lehrerverband spricht Klartext
In der Wochenzeitung Junge Freiheit ist von einem „Niedergang des Schulsystems seit 1968“ zu lesen, in einem umfangreichen Artikel kommt dort Josef Kraus (im Bild) zu Wort.
Josef Kraus war von 1987 bis 2017 Präsident des Deutschen Lehrerverbandes und hat letztes Frühjahr sein neuestes Buch herausgegeben, es heißt:
„Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt“. In der Jungen Freiheit ist diesbezüglich ein Text veröffentlicht worden, der sich an einem Vortrag von Josef Kraus in Berlin orientiert. Gleich zu Beginn des Artikels wird darauf verwiesen, dass die wohl größte Hinterlassenschaft der Achtundsechziger ein weitreichender Bildungsabbau ist.
„Zeitgeschichtlicher Analphabetismus bei Schülern“
Josef Kraus konstatiert dazu:
„Die Zahl der Rechtschreibfehler, die Zehnjährige machen, hat sich binnen 40 Jahren um 77 Prozent erhöht.“ Und: „In Berlin dürfen sich Schüler der 10. Klasse mit Mathematikaufgaben herumschlagen, die früher Drittklässler bewältigten(…)“.
Experte Kraus stellt sogar einen „Zeitgeschichtlichen Analphabetismus bei Schülern“ fest: „80 bis 90 Prozent der Schulabsolventen könne mit den Daten „17. Juni“ oder „13. August“ nichts anfangen“. Auffällig dabei ist jedoch – und auch hierzu äußert sich der ehemalige Lehrerverbands-Präsident – dass sich parallel dazu die Zahl der 1,0-Abiturzeugnisse vervielfacht hat.
Weil aber, laut Josef Kraus, „ein Abiturzeugnis oft nur noch eine Studierberechtigung, aber keine Studierbefähigung mehr attestiert, gibt es in universitären Fachbereichen 30 und mehr Prozent Abbrecher(…)“. Er verweist auf die vielen „Liftkurse“, die an verschiedenen Hochschulen für Studienanfänger angeboten werden, damit aufgeholt werden kann, was aus der Schule nicht mitgebracht wurde.
Gegenüber der Wochenzeitung konstatiert Josef Kraus auch, dass Baden-Württemberg – einst ein Bildungsmusterland – nun zu einem Bildungsabsteiger mutiert ist. Dies sei der grün-roten Regierung geschuldet.
Verantwortliche gaben sich lange Zeit unrealistischen Visionen hin
In dem Artikel tritt außerdem zutage, was ein zeitgeschichtlich interessierter und informierter Bürger lange schon ahnt: statt diesem Desaster adäquat entgegenzuwirken, geben sich die meisten Verantwortlichen zu lange schon traumtänzerischen Visionen hin, der Beitrag zählt einige davon auf, unter anderem folgende:
„Gymnasium für alle!“, „Lebensraum Schule!“, „Offene Schule!“, „Keine Kränkungen mehr durch Noten und Zeugnisse“, „Kein Stress mehr mit Hausaufgaben und Auswendiglernen!“, „Schluss mit Frontalunterricht!“.
Schon beim Lesen dieser Illusionen sträuben sich wohl jedem normal denkenden Menschen sämtliche Nackenhaare und Kraus urteilt denn auch adäquat über diese absurden Vorstellungen:
„Das ist Verschleierungs- und Ablenkungstaktik“ so sein Fazit zu derlei Hirngespinsten. Und: „(…)hinter all den Visionen verbirgt sich das krachende Scheitern pädagogischer Irrlehren“.
Pädagogische Irrlehren krachend gescheitert – das sehen viele Eltern so
Wie wahr! Die meisten Menschen können dieser glasklaren Einschätzung wohl mehr als zustimmen, Eltern sicherlich ganz besonders. Vor allem aber hat – laut Kraus – an dem Niedergang der Bildung in Deutschland, der „Irrglaube, dass alle Menschen, Strukturen, Werte, Inhalte gleich bzw. gleich gültig seien“ seinen gehörigen Anteil.
Daran gliedert sich, so erfährt es der Leser aus der Jungen Freiheit, die Ideologie an, dass es keine unterschiedlichen Schulformen, keine unterschiedlichen Begabungen und keine bestimmten Werte geben dürfe. Kraus bringt es auf den Punkt und zwar so: „Schule ist aber keine Institution zur Herstellung von Gleichheit, sondern zur Förderung von Verschiedenheit und Individualität.“
Er sieht zudem eine große Ungerechtigkeit darin, wenn ungleiche Schüler eine gleiche Behandlung erfahren.
DDR-Bürger denken oft mit Grausen an Ideologie an damaligen Schulen
Das stimmt. Vor allem einstige DDR-Bürger erinnern sich meist mit Grausen an die bizarre Ideologie der Kommunisten, alle Menschen im Mauerstaat gleich machen zu wollen – das galt seinerzeit freilich ebenso für die Schüler.
Und war ein ebensolches verblendetes Hirngespinst, dem in Sachen Bildung bundesweit Verantwortliche in den letzten Jahrzehnten aufsaßen und noch immer aufsitzen. Auch in Sachen Begabung.
“Brauchen dagegen eine Revolte”
Dem weit verbreiteten Wahn, jeder könne zu allem „begabt“ werden, erteilt Josef Kraus eine klare Absage, denn: „es gibt Unterschiede in der Begabung von Menschen“. Was jedem Bürger mit gesundem Menschenverstand klar ist, scheint bei Leuten, die in Sachen Bildungspolitik etwas zu sagen und zu entscheiden haben, allerdings so klar nicht zu sein. Im Gegenteil: es spielen sogar politische Dinge mit rein und die sind heutzutage bekanntlich ein ganz heißes Eisen.
Man spricht nämlich manches Mal schon statt von „Begabung“ von „vermeintlicher Begabung“.
Laut Josef Kraus ist eine solche Diktion wissenschaftlich nicht haltbar, aber das ist heutzutage ja vieles nicht und wird trotzdem politisch und gesellschaftlich forciert – man kennt das!
Ebenso thematisiert wird seitens Kraus die Chancengleichheit – ein immer wieder gern genutztes Schlagwort. Josef Kraus dazu: „Wer völlige Chancengleichheit will, müsste die Menschen entmündigen. Er dürfte beispielsweise ausschließlich die Schwächeren und Langsameren fördern. Die Stärkeren und Schnelleren müsste er den Eltern wegnehmen und bremsen.“
“Erleichterungs- und Gefälligkeitspolitik”
Scharf kritisiert Kraus auch die – wie er sagt – „Erleichterungs- und Gefälligkeitspädagogik“.
Auch davon bekam mit, wer sich stets für das Thema Bildung interessierte. Schule soll „cool“ sein und „irre Spaß machen“ – so wird es ganz oft propagiert. Und ist doch grundfalsch. Denn – so Kraus -: „In der Folge wurden Leistung und Anstrengung schier zu Missgunst-Vokabeln erklärt“.
Die Medien sind voll von Ausdrücken wie „Leistungsstress“ oder „Leistungsdruck“ – das dürfte keinem entgehen. Dazu hat der ehemalige Verbandspräsident eindeutig eine Haltung: „Wer aber Leistung und Anstrengung zu Missgunst-Vokabeln macht, versündigt sich an der Zukunft unserer Kinder und unserer Gesellschaft“.
Schließlich – nachdem der Experte noch detailliert auf weiteres Wunschdenken verantwortlicher Pädagogen und Politiker eingeht – stellt er am Ende die Schuldfrage: „Wer trägt die Schuld an all dem?“
Und beantwortet das wie folgt:
„Wahrscheinlich hat der destruktive Erfolg der Achtundsechziger zu tun mit dem Nationalcharakter der Deutschen, nämlich deren Selbstvergessenheit.“
Als Konsequenz darauf formuliert Josef Kraus eine eindeutige Forderung: „Dagegen brauchen wir eine Revolte.“
Dem ist nichts hinzuzufügen!
Wer sich hinsichtlich des Vortrages, den Josef Kraus in der Bibliothek des Konservatismus in Berlin, gehalten hat, umfangreicher informieren möchte, findet ihn hier im Original: https://www.bdk-berlin.org/veranstaltungsberichte/josef-kraus-wie-man-eine-bildungsnation-an-die-wand-faehrt-jetzt-online/
Bildnachweis: Deutscher Lehrerverband