„Woher kommst Du genau?“, „Was sind Deine Hobbys?“, „Was machst Du beruflich?“ – diese Fragen werden wohl am häufigsten gestellt, wenn beim Online-Dating zwei Singles aufeinandertreffen und die digitalen Faktoren die Weichen Richtung Kontaktaufnahme stellen.
Die ersten Mails oder Chats in Singlebörsen oder –apps sind meist belanglos und dienen einem ersten Abchecken des virtuellen Gegenübers.
Erst nach und nach wird erfahrungsgemäß der Austausch emotionaler und intimer.
Da ein Großteil der Singles viel Wert darauf legt, zunächst im geschriebenen Wort mehr über den anderen zu erfahren, ehe es an ein erstes Telefonat geht, kann eine solche Kommunikation schon ziemlich viel Zeit beanspruchen.
Die meisten Frauen, die Online-Dating bereits ausprobiert haben, werden das kennen:
vor allem abends vergehen die Stunden wie im Flug, wenn man mit einem sympathischen Singlebörsen-Mann, den man online gerade erst kennengelernt hat, am Schreiben ist. Schnell ist man bis weit nach Mitternacht zugange – was nicht selten eine latente Müdigkeit in solche Flirtphasen rein spielen lässt.
Den meisten Singles macht das nichts aus. Ist doch das Spiel des Kennenlernens – der Reiz des Neuen – zu aufregend, als das man diesen Austausch als stressig empfindet.
Allerdings scheint es durchaus eine beachtliche Anzahl an Partnersuchenden zu geben, die dieses Agieren als Zeitfresser sehen.
Hinzu kommt: nicht jedem ist ein locker-flockiges Hin- und Her-Mailen – der digitale Smalltalk beim Dating – gegeben, so manche(r) findet nicht wirklich die richtigen Worte in ersten Mails und Nachrichten.
Auf diese Situation wurde reagiert – zumindest in den USA. Hier lassen sich Datingcoaches für die Kommunikation mit potentiellen Partnern beim Online-Dating buchen. Auftraggeber sind Singles, die nicht die Zeit für ewig lange Digital-Konversationen haben oder eben Leute, die unsicher sind, was sie mit dem Singlebörsen-Kandidaten schreiben sollen.
Meredith Golden aus New York – der Singlehochburg schlechthin – bietet eine solche Dienstleistung an.
Einem Bericht des SPIEGEL zufolge überprüft sie für ihre Klientel passende Datingprofile in Singlebörsen und übernimmt für die Singles, die ihre Partnersuche auf diese Art und Weise „outsourcen“ auch eine erste oberflächliche Kommunikation via E-Mail oder Chat.
Man darf davon ausgehen – das verrät auch ein Blick auf die Webseite von Meredith Golden – dass die Datingexpertin mit ihrer Kundschaft im Vorfeld detailliert bespricht, welche Infos in ersten Mails und Chats preisgegeben werden dürfen (und welche nicht), aber:
soll das wirklich eine gute Art und Weise sein, an den Mann oder die Frau des Lebens zu gelangen?
Sind es nicht gerade die ausgetauschten Worte am Anfang eines Kennenlernens, die der jeweils andere aufmerksam liest und nicht selten daraus auch zu interpretieren und heraus zu finden versucht, wie der andere tickt?
Kann eine solche Kommunikation wirklich von einer fremden Person, die ja selbst gar nicht als Partnersuchende fungiert, gesteuert werden? Kann man einen Kennenlern-„Schriftverkehr“, bei dem niemand weiß, ob am anderen Ende vielleicht die Person sitzt, mit der man als Partnersuchende(r) vielleicht sogar den Rest des Lebens teilen könnte, einfach so outsourcen?
Wie einen geschäftlichen Vorgang, bei dem es um Protokolle, dröge Schriftsätze oder unemotionale Korrespondenzen geht?
Und: ist es überhaupt in Einklang zu bringen, Kennenlern-Mails von jemandem, der als Dienstleister fungiert, schreiben zu lassen, sich aber dann als Partnersuchender mit demjenigen, der mit dem gebuchten Datingexperten kommuniziert hat, zu treffen? Zumal der andere davon ja nichts weiß?!
Soll es wirklich möglich sein, dass eine Person – ein sogenannter Datingcoach, der in dieser Funktion ja als Ghostwriter fungiert – Mails zum Flirtauftakt schreibt, die denjenigen, der eigentlich der suchende Single ist, authentisch widerspiegeln?
Leider fokussieren sich derartige Berichterstattungen bislang nur auf die Dienstleister, die das digitale Flirtgeflüster professionell anbieten, währenddessen nicht bekannt ist, wie hoch die Trefferquote ist, sprich: wie viele Paare sich gefunden haben, obwohl eine gebuchte dritte Person im Spiel war.
Interessant wäre auch zu wissen, ob Singles, die einen Dating-Kandidaten getroffen haben, der oder die einen solchen Flirt-Ghostwriter engagiert hat, bemerkt haben, dass nicht die Person vor ihnen sitzt, mit der sie im Vorfeld des Treffens geschrieben haben.
Fragen über Fragen, auf die es – noch! – keine Antworten gibt.
Aktuell bleibt abzuwarten, ob diese Art Dienstleistung auch auf Deutschland überschwappt und ob die einsamen Herzen hierzulande, die via Online-Dating nach einem Seelenpartner Ausschau halten, ein solches Angebot annehmen und auch dafür bezahlen würden.
Ist das an dem, wird man zukünftig ganz bestimmt noch mehr über die Flirt-Ghostwriter und ihre Arbeit erfahren.
Wenn nicht, darf man davon ausgehen, dass Partnersuchende aus hiesigen Landen wohl doch eher auf Authentizität und Ehrlichkeit setzen – auch und vor allem beim virtuellen Kennenlernen.
Dass anfängliche Mails und Chats denn häufig auch bis weit nach Mitternacht dauern nimmt man wahrscheinlich eher in Kauf, als emotionale Wünsche an eine fremde Person abzudelegieren.
Aber – wie gesagt: das bleibt abzuwarten! Spannend ist diese Thematik allemal und etabliert sie sich, werden Sie bei uns davon wieder lesen!
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