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Ein Gastbeitrag von Frank Neubert

Die moderne Mama auf Dienstreise. Was macht der kurzzeitig alleinerziehende Vater da? Richtig, er geht mit den Kinderlein auf ein Volkfest am Wochenende. Wo Mama sonst immer mit Augenmaß Zügel und Brieftasche fest in der Hand hat, stolpert der Vater von einem Schrecken zum Nächsten.

Kinder sind ein Armutsrisiko, heißt es immer. Ganz zweifellos ist das der Fall, wenn man mal mit drei Kindern ein Volksfest besucht. Dabei muss es muss nicht mal ein Großevent wie das Münchner Oktoberfest oder die Cannstatter Wasen sein, um ein monetäres Horrorerlebnis ganz ohne Geisterbahn zu erleben.

Besonders schmerzen die Augen bei denen, die die Strafe der frühen Geburt in den Siebzigern oder Achtzigern hatten. Also zu Zeiten, in denen noch die Ost- und die Westmark galten.

Ich erinnere mich noch gern, wie mir mein Großvater zum alljährlich stattfindenden Herbstfest seines kleinen Heimatortes eine Fünf-Mark-Münze zusteckte mit den Worten: Kaufst Dir ein Bier und „ne Wurscht“. Es reichte für mindestens zwei Bier und sogar einen Schnaps. Die Zigaretten für 2,50 hatte ich heimlich dabei. Als dann die D-Mark kam, galt immerhin noch der Dreisatz „Fünf ist gleich eine Wurst und ein kleines Bier“. Mit dem Euro war auch das passé.

Wer zu den Glücklichen gehört, die sich das heimliche Umrechnen in die alten Preise abgewöhnt haben, lebt wesentlich entspannter.

Für hartnäckige Nostalgiker ist dagegen  jedes Preisschild heute wie ein Peitschenhieb. „Ein Schuss – 50 Cent“, stand am vergangenen Wochenende auf dem Schild einer Schießbude. „Ein Witz“, dachte ich beim ersten Hinschauen und fragte lieber nochmal nach, auch auf die Gefahr, mich restlos zum Idioten zu machen. Aber es war gerade nicht viel los, die Gefahr der Blamage gering.  Dafür verstand der Schießbudenbetreiber den tieferen Sinn meiner Frage nicht, als ich zaghaft einwandte, das wäre früher eine Mark gewesen. Eine ganze, wertvolle Westmark für so ein mickriges Luftpustekügelchen? Für das Geld kriegt man doch im Darknet schon zehn richtige Mumpeln. Mindestens. Neun Millimeter Para, statt vier Millimeter Blei.

Was ich denn hätte?, meinte der Schausteller mit ehrlichem Erstaunen. Auf „der Wies´n“ koste ein Schuß 70 Cent bis einen Euro. Wird deshalb der Wehretat verdoppelt?

Dennoch. Das Gedankenfeuerwerk hatte sich an der Schuss-Kosten-Relation entzündet. Ein Ein-Euro-Jobber müsste demnach eine ganze Stunde arbeiten, um hier zweimal abdrücken zu können. Da will das Ziel gut überlegt sein. Eine Verkäuferin mit Mindestlohn könnte nach einer Stunde Arbeit immerhin schon 17 Mal auf eine Kunstblume im Tonröhrchen ballern.

Wenn sie gut ist, wäre eine Piccoloflasche Sekt drin. Geht man noch weiter zurück, wird’s richtig skurril. Eins zu zehn und schlechter war der Umtauschkurs der DDR-Mark in Westgeld. Somit würde ein Schuss aus einem Luftgewehr satte zehn Ostmark kosten. Bei einem Durchschnittslohn von 500 DDR-Mark monatlich hätte man sich keinen Fehlschuss erlauben können. Wofür doch die vormilitärische Ausbildung gut war.  Aber noch ehe der Vater in diesen Gedankenstrudeln über Geld und seinen Wert im Wandel der Zeiten restlos versinkt, zerren die Kinder von allen Seiten an ihm herum und verlangen mit immer anderen Worten: “Papa, gib mal Geld”.

Lokalzeitungen machen ab und zu so launige Selbstversuche, die irgendwie investigativen Journalismus simulieren sollen, indem sie einen Praktikanten losschicken, wie weit der auf dem Rummel kommt mit einem Zehn- oder Zwanzig-Euroschein. Allein Zehn auf einen Streich wird man schon mal am Autoscooter los. Immerhin bekommt man sieben Fahrten dafür. Das hilft für geschätzt 20 Minuten. Dann steht Kettenkarussell auf dem Plan, wobei man froh sein kann, dass der ganz Große das inzwischen irgendwie doof und eher „für Babys“ findet. Je Fahrt 2,50 Euro, für zwei macht fünf, wären zehn Mark, aber ich weiß, das macht man nicht.

Natürlich muss das Ganze wiederholt werden, weil´s so schön war und Vaters Hose erleichtert sich im Handumdrehen von dem schweren Münzgeld.

In einer Losbude ohne Nieten kann man passenderweise für den Einsatz von zwo mal vier Euro als Kleingewinn eine Trillerpfeife verbuchen, um damit die letzten Nerven des Erziehungsberechtigten zum Glühen zu bringen. Immerhin ist das Kosten-Ausbeute-Verhältnis bei einem klassischen Ballwurfstand besser. Auch weil der Budenbetreiber den Klappfiguren, die sich nach einem zu schwungvollen Treffer wieder aufrichten, einen finalen Schubs gibt, damit sie wirklich in die Wertung der „Umgelegten“ eingehen.

Vielleicht erspart er sich aber auch nur mit kindlicher Vehemenz geführte Diskussionen über die Wertung von Treffern. Er wird seine Erfahrungen haben, der Gute.  Und so bekommt beim Preis von vier Euro je zwölf Bällen am Ende jeder ein Plüschtier seiner Wahl, darunter ein schielendes Opossum. Der Vater kann diesen Zustand unmöglich erreichen, weil er nicht mal in die Nähe eines Ausschankes kommt. Sein zaghafter Einwand, dass er selbst gern auch mal wie früher an dieser Stelle einfach nur  „`ne Wurscht und ein Bier“ genossen hätte, wird weggewischt mit der Bemerkung, das Großtrampolin wäre noch nicht ausprobiert worden.

Immerhin. Dem Erfinder dieses Gerätes gebührt neidlose Anerkennung. Das ist fast besser als Tom Sawyers Methode, einen Zaun zu streichen. Für fünf Minuten angegurtetes Hopsen, was auf dem heimischen Trampolin eben fehlt, zahlt man hier fünf Euro.

Damit erst gar keine Langeweile aufkommt, wird vom Trampolin Ausschau gehalten, ob sich jetzt genügend andere Rabauken um den Autoscooter versammelt haben, um dort nochmal auf Rammfahrt zu gehen. Kosten: siehe oben.

Ach so – ganz nebenbei: am Ende waren es siebzig Euro, die auf der Uhr standen. Plus das Kleine aus der Hosentaschenbilge.  Na gut, für zwei leere Fantaflaschen gab es vier Euro Pfand zurück. Das reichte noch für eine Bismarcksemmel, die der Vater auf dem Heimweg mampfte. Im Portemonnaie war restlos Ebbe. Er hätte zwar lieber mal den Backfisch probiert, also den in der Semmel, nicht den hinter der Kasse, aber der kostet jetzt 4,50 Euro.

Früher wären das neun Mark … Aber lassen wir das.

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Datei: #101520773 | Urheber: kviktor

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