Katharina S.* verlor alles
Laut einem Bericht der FAZ ist „im Vergleich zum Vorjahr die Zahl der von Überschuldung betroffenen Menschen im Alter von über 18 Jahren um 90.000 auf 6,7 Millionen nochmals gestiegen“. Dies geht aus dem Schuldneratlas von Creditreform hervor.
Nun, ob es solcher – in meinen Augen fragwürdiger -„Auskunfteien“, wie Creditreform wirklich bedarf ist das eine, aber dass viele Menschen überschuldet sind, das andere. Es ist ein Fakt.
Und fakt ist auch, dass ein Großteil der verschuldeten Bürger Frauen sind. Nicht wenige davon sind unverschuldet in diesen furchtbaren Strudel geraten. Oft dadurch dass sie irgendwann – in Form einer Unterschrift als Bürge – für ein Vorhaben ihres Partners in die Haftung gegangen sind.
Wie schlimm so was ausgehen kann, zeigt das Beispiel von Katharina S.* (Name geändert).
Ein toller Job, eine attraktive Frau, auch Lebensfreude ist es, die da rüber kommt.
Vieles jedoch ist bei Katharina nur Fassade. Die 38jährige ist Single und arbeitet in einer Produktionsfirma. Ein interessanter Job, der vielgerühmte Hauch „Glamour“ immer mit dabei.
Doch mit Glamour hat Katharinas Leben im Privaten wenig zu tun. Sie ist verschuldet.
Vor fast fünfzehn Jahren hatte sie einen Partner, der sich mit einem Handwerksbetrieb selbständig machte. Da den Banken das vorhandene Eigenkapital nicht ganz reichte, aber Katharina damals schon gut verdiente und zudem Besitzerin einer Immobilie war, fragt Frank* (Name geändert), ihr damaliger Partner, sie kurzerhand, ob sie nicht bürgen könne.
Katharina konnte. Und dachte sich nichts weiter dabei. Frank hatte goldene Hände, die Beziehung lief gut, beide planten Nachwuchs und wollten irgendwann, wenn – so der Plan – die Firma von Frank gut läuft, das kleine Landhaus, das Katharina von einer Großtante geerbt hatte, ausbauen und gänzlich dort hinziehen. So weit so gut. Der Kredit wurde nach Katharinas Unterschrift als Bürge gewährt, das Unternehmen lief an.
Anfangs sah auch alles danach aus, dass das Paar seinem Lebensplan folgen kann. Die Firma entwickelte sich gut, Katharina machte ihr Job – schon damals war sie die rechte Hand des Chefs in der Produktionsfirma – Spaß und, zusammen mit Frank, schmiedete sie Zukunftspläne. Die Zukunft – die sollte sich abspielen in den eigenen vier Wänden! Mit einem oder auch zwei Kindern.
Das Haus, was Katharina einst von ihrer Großtante erbte, war ideal dafür. Nur wenige Minuten von der Stadt, in der sie lebten entfernt und noch ganz gut in Schuss. Mit Franks handwerklichen Händen würde sich das in die Jahre gekommene Häuschen in beider Familiendomizil verwandeln. Daran glaubten sie fest.
Doch das Leben holte sie ein: irgendwann nach fast zwei Jahren zahlte ein großer Kunde nicht, weil er plötzlich insolvent wurde. Und riss damit Frank, seinen Betrieb und die beiden Mitarbeiter, die zwischenzeitlich eingestellt wurden, mit ins Verderben. Die offene Rechnung konnte nicht anderweitig abgefedert und irgendwann selbst der Materialeinkauf nicht mehr getätigt werden. Eine harte Zeit. Frank und Katharina gaben alles, steckten viel privates Geld in Franks Betrieb. Es half nichts. Irgendwann waren sie nicht nur am Ende ihrer Kräfte, sondern auch am Ende ihrer Zahlungsfähigkeit. Als dann auch noch das Finanzamt und die Krankenkassen mit Forderungen kamen, bedeutete das das Aus.
Frank flüchtete sich ob dieser Situation immer mehr in den Alkohol, ließ alles schleifen, während Katharina versuchte, mit Gläubigern und der Bank zu verhandeln.
Dennoch: als Bürge für die Bank war nur sie greifbar. Frank hatte längst alles Ersparte in den Betrieb gesteckt und sich schon monatelang keinen Lohn mehr ausgezahlt. Der Beziehung tat das lange schon nicht mehr gut, beide stritten immer häufiger.
Der schwärzeste Tag aber stand Katharina noch bevor. Denn eines Tages meldete sich die Bank bei ihr mit der Ansage, dass man nun wohl Katharinas Haus versteigern werde, wenn nicht dann und dann mindestens 55.000 € von ihr für die Begleichung der Forderung kämen. Wozu sie als Bürge nun eben verpflichtet war.
Die Nachricht löste bei Katharina einen Nervenzusammenbruch aus. Sie hatte das Geld nicht, pumpte sie nun doch schon Monate einen Großteil ihres Gehaltes in Franks Firma.
Während Freunde sich um Katharina kümmerten und Frank nur noch im alkoholisierten Zustand umherirrlichterte, machte die Bank ernst und schickte einen Gutachter zu dem Haus, das einmal Franks und Katharinas Zukunft bedeutet hatte. Der Alptraum wurde wahr – das Haus irgendwann versteigert.
Katharina erlebte diese Zeit wie durch einen Wattebausch. Sie war lange krank geschrieben, ihr einziges Glück war, dass ihr Chef Verständnis für die Situation zeigte und ihr versicherte, dass ihr Job nicht in Gefahr ist. Die Beziehung zwischen Katharina und Frank aber hielt den Belastungen nicht stand, sie zerbrach.
Sie gaben die gemeinsame Wohnung auf, Katharina zog in eine kleine Singlewohnung.
Doch während Frank den sogenannten Offenbarungseid leistete, war für Katharina der Alptraum noch nicht vorbei. Da sie nun die einzige war, an die die Bank sich hielt und auch halten konnte, musste sie ihren Pflichten als Bürge nachkommen. Denn: das Haus hat nur ein Teil dessen bei der Zwangsversteigerung gebracht, was die Bank fordert, mit Zins und Zineszins stand Katharina noch immer in den Miesen.
Den Weg des Offenbarungseides aber wollte Katharina nicht gehen. Irgendwann war sie wieder arbeitsfähig und verhandelte eine finale Ratenzahlung mit dem Bankhaus. Diese bewahrte sie zwar vor dem so gefürchteten Offenbarungs-Eid, aber in ihrem Leben hat diese Forderungen seither nun eine hohe Präsenz. Um nicht zu sagen: sie dominiert alles. Von Katharinas an sich gutem Gehalt gehen allein schon fast 500,00 € für diese Raten weg, der Rest wird für die Lebenshaltungskosten gebraucht.
Katharina versucht das Beste draus zu machen. Noch immer leidet sie unter dem Verlust des kleinen Landhauses, das sie so geliebt hat und das für sie einst die Zukunft bedeutete. In den Ort, wo sich das Haus befindet, ist sie nie wieder gefahren. Auch alle Brücken zu Frank sind abgebrochen. Das letzte, was sie von ihm hörte, war, dass er sich der Alkoholsucht völlig hingegeben hat.
Katharina ist noch immer dabei, sich mit diesem neuen, für sie ungewöhnlichen, Leben zu arrangieren.
Mal hier ein Kurztrip oder dort ein schickes, neues Kleid? Was für Freundinnen und Kollegen selbstverständlich ist, ist für Katharina meilenweit weg.
Von ihrem Gehalt bleiben nach der Rate an die Bank und dem Abzug aller Kosten so gut wie nichts ü,brig, würde eine Zahlungsvereinbarung platzen, stünde auch für sie die Abgabe der Vermögensauskunft (wie sich der Offenbarungseid jetzt nennt) auf dem Plan.
Oft fragen Freunde Katharina, warum sie sich denn den Stress antue und nicht auch die „Hand hebt“ – wie es so salopp heißt.
Doch davon möchte Katharina nichts hören. Die Summe, die sie noch abzuzahlen hat, beläuft sich auf 20.000,00 €. Sie erachtet das für stemmbar und hofft auf einen Neuanfang – irgendwann, wenn die Schulden abbezahlt sind.
Bis dahin hält sie sich mit Klamotten vom Floh- oder aus dem Kleinanzeigenmarkt über Wasser, kauft nur im Discounter und gönnt sich alle zwei Jahre ein Urlaub auf dem Zeltplatz, irgendwo in Deutschland. Wohin sie per Mitfahrzentrale reist. Denn auch das Auto ist nur noch eine wehmütige Erinnerung an bessere Zeiten…und längst abgeschafft.
Ihr Leben hat eine völlig andere Wendung bekommen, ausgelöst durch eine – seinerzeit von ihr als unbedeutend empfundene – Unterschrift.
„Ich kann nur alle warnen, leichtfertig irgendwo für einen Kredit zu bürgen“ – so Katharinas Appell an Frauen, die vielleicht gerade vor dieser Entscheidung stehen. „Auch wenn die Liebe gerade sehr frisch ist, niemand weiß, was in einigen Jahren passiert!“ – so ihr eindringliches Statement.
Wir schließen uns dem an!
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Die abgebildete Person auf dem Bild stimmt nicht mit der porträtierten Person überein. Ähnlichkeiten mit anderen Personen sind rein zufällig