Ein Gastbeitrag von Ines
Ein köstliches Mittagessen, danach ein wenig Freizeit und dann mit Mutter zusammen die Hausaufgaben erledigen – so sah mein Schulalltag in der DDR aus. Dieser war seinerzeit alles andere als alltäglich, denn gerade in der untergegangenen Republik waren ja bekanntlich die wenigsten Mütter sogenannte „Hausfrauen“.
Da mein Vater allerdings selbständig war und wir recht gut situiert waren, ging meine Mutter keiner eigenen Arbeit nach (trotz vorhandener guter Ausbildung) und kümmerte sich eher um Haushalt und Kinder.
Deshalb ging ich auch nach der Schule nicht in den Hort, sondern schnurstracks nach Hause. Dort war dann der Ablauf so, wie eingangs beschrieben.
Da sich dieser Artikel hier um Hausaufgaben dreht, möchte ich es aber nicht versäumen anzumerken, dass die Hortbetreuung von kleineren Schulkindern in der DDR qualitativ sehr gut war. Nicht umsonst gab es das Berufsbild der „Hörtnerin“. Diese Frauen – es waren ausschließlich weibliche Pädagoginnen, denn Männer oder gar dritte Geschlechter gab es damals in solchen Berufen nirgends – waren auch für die Hausaufgaben ihrer Schützlinge zuständig und diese wurden akkurat mit den Schülern gemacht. Im Gegensatz zu heute wurden die Hausaufgaben nicht nur abgezeichnet.
Und damit bin ich auch schon beim Kern des Artikels, denn gerade bin ich im Internet auf einen interessanten Beitrag zu diesem Thema gestoßen.
Auf der Seite news4teachers.de geht man der Tatsache nach, warum die Leistungen so vieler Schüler schlechter werden. Und kommt zu einer bemerkenswerten wie auch logischen Erkenntnis: es fehlen in Sachen Hausaufgaben schlichtweg die Mütter, die sich mit ihrem Nachwuchs hinsetzen, die Aufgaben kontrollieren und etwaigen nicht verstandenen Stoff mit dem Kind durchgehen.
Das führt zu vielen, vielen Schülern, die leistungstechnisch ins Hintertreffen geraten. Hier ein Zitat aus dem besagten Artikel:
„Für Anna Paulsen (Name geändert) hat sich das Leben verändert. Die Mutter von drei Kindern, das jüngste ist acht Jahre alt, kann heute wieder arbeiten gehen – früher, als ihr heute 21-jähriger Sohn in die Schule kam, war das praktisch unmöglich. Damals, vor etwa 15 Jahren also, endete der Unterricht mal früher, mal später. Eine Betreuung am Nachmittag gab es nicht. So stand ihr Sohn mitunter schon gegen halb zwölf wieder vor der Haustür. Hausaufgaben wurden am Küchentisch erledigt – unter mütterlicher Aufsicht, die Schludereien und Fehler natürlich nicht durchgehen ließ. Das konnte dann auch schon mal eine oder anderthalb Stunden dauern.
Und heute? Paulsens jüngste Tochter besucht eine Grundschule mit offenem Ganztag, wo sie bis 16.30 Uhr betreut wird. Die Hausaufgaben erledigt sie dort. Ob die Achtjährige diese vollständig erledigt, kontrolliert niemand. Fehler werden nicht verbessert. Wie auch? In der Gruppe sind 25 Kinder; betreut werden sie von zwei Erzieherinnen. Und die haben mit der Schule eigentlich nichts zu tun. Der Ganztag wird von einem privaten Verein getragen, unterliegt also nicht den Weisungen der Schulleitungen. Das ist so üblich in Deutschland – aus Kostengründen: Weil ein grundgesetzliches Schulgeldverbot herrscht, aber Elternbeiträge zur Finanzierung herangezogen werden, darf die vermeintliche Ganztagsschule gar keine echte Ganztagsschule sein, sondern lediglich eine „offene“.
Das ist eben nur eine Halbtagsschule mit optionalem Betreuungsangebot am Nachmittag. Eine Mogelpackung. „Beim Ganztag, wie wir ihn in der Regel haben, handelt es sich um eine Nachmittagsbetreuung. Damit ist gewährleistet, dass die Kinder gut aufgehoben sind, während die Eltern arbeiten. Mehr aber meist auch nicht. Dabei geht es natürlich ums Geld. Betreuen ist die billiger als schulisches Fördern“, erklärt der Bildungsforscher Prof. Wilfried Bos vom Institut für Schulentwicklungsforschung der TU Dortmund. „Der Bund hat zwischen 2003 und 2009 vier Milliarden Euro für den Ausbau des Ganztags in Deutschland aufgewendet.
Die Länder hingegen wollten möglichst wenig ausgeben. Zusätzliche Lehrerstellen hätten sie nach der bestehenden Aufgabenverteilung finanzieren müssen. Also kam man auf die Lösung: Betreuung, denn fürs Betreuungspersonal sind die Schulträger, also die Städte und Gemeinden, zuständig. Und die können für Betreuungsangebote von den Eltern Gebühren nehmen, was für ein schulisches Angebot gesetzlich nicht ginge.“(…)
Und diese Betreuung bekommen immer mehr Kinder in Deutschland geboten. Mittlerweile (Stand: Schuljahr 2015/2016) besuchen rund 2,8 Millionen Kinder, das sind etwa 40 Prozent der Schüler in Deutschland, eine Ganztagsschule – die meisten davon eine „offene Ganztagsgrundschule“. Im Schuljahr 2002/2003 waren es lediglich rund zehn Prozent der Schüler gewesen.
Parallel zum Anstieg der Betreuungsquote wuchs die Beschäftigungsquote in Deutschland – und zwar vor allem die der Frauen. Sie stieg von 65 Prozent 2006 auf mittlerweile knapp 75 Prozent. „2016 gingen hierzulande 18,3 Millionen Frauen im Alter von 20 bis 64 Jahren einer Arbeit nach“, so meldete Statista, das Statistische Bundesamt.
Das bedeutet: Offensichtlich ist dem deutschen Bildungswesen im vergangenen Jahrzehnt ein Millionenheer an unentgeltlich arbeitenden Förderkräften abhandengekommen – und einen echten Ausgleich dafür gab es nicht. Das ließe sich auch monetär ausdrücken: Setzt man eine qualifizierte Förderstunde im Einzelunterricht, wie auf dem Nachhilfemarkt üblich, mit 45 Euro an, ist für die Gruppenbetreuung lediglich ein Fünftel pro Kind fällig. Hochgerechnet ergibt das in etwa eine Summe von gut und gerne 15 Milliarden Euro im Jahr, die dem Bildungssystem verloren gegangen sind. Von dieser Summe ließen sich grob überschlagen 150.000 Lehrer bezahlen.
Die Auswirkungen sind messbar – die Leistungen insbesondere der Grundschüler, das belegt gleich eine ganze Serie von großen Bildungsstudien wie VERA und IGLU, gehen an breiter Front zurück.“
Tja – man merkt es schon: das heiß geliebte Ganztagschulen-Modell der Altparteien-Politiker hat hinten und vorne Tücken. Wenn die Mama (oder/und der Papa) sich in der aufreibenden, täglichen Jobmühle abrackern, um die immer höheren Abgaben, Gebühren und Lebenshaltungskosten zu stemmen, dann bleibt am Ende des Tages kaum oder gar keine Zeit, um mit dem Nachwuchs noch Hausaufgaben zu machen.
Bekanntlich sind abends alle erschöpft – Eltern wie Kinder. Und selbst wenn die Mamas und Papas noch immens fit wären: die Kinder sind es eben am Abend nicht mehr.
Welche Lösungsansätze würden hier greifen? Nun – da gibt es sicher nicht DIE eine Lösung, aber die bislang am besten präsentiertesten stammen in dieser Hinsicht von Birgit Kelle.
In ihrem Buch “Muttertier” prangert sie genau solche Zustände an und fragt provokant, warum man eigentlich nicht gleich ins Original (gemeint sind Mütter) investiert? Siehe dazu auch unser Interview mit Frau Kelle.
Eine absolut berechtigte Frage, die sich allerdings nur einreiht in eine Reihe von weiteren Fragen, auf die die Politiker der Altparteien seit Jahren keine Antworten haben oder geben wollen, geschweige denn, dass sie Lösungen erarbeiten.
Warum wird die Familie nicht gestärkt? Warum werden Mütter, die (erstmal) daheim bei den Kindern bleiben wollen, so oft als rückwärtsgewandt oder/und abfällig als „Nur-Hausfrau“ bezeichnet? Warum haben (werdende) Mamas so wenige Wahlmöglichkeiten, wie es nach der Geburt weitergeht? Warum lässt man zu, dass Frauen, die für die Familie da sein wollen, so oft in die Falle der Altersarmut laufen, so dass eben auch Frauen, die eher daheim bei den Kindern sein wollen, ja an und für sich schon gezwungen werden, arbeiten zu gehen und sich in der oft so stressigen Job-Hamstermühle aufzureiben? Warum schaut man seit Jahren sehenden Auges zu, wie die Bildung im Land den Bach heruntergeht?
Die derzeitigen Politiker scheinen sich – wenn sie überhaupt zuhören, wenn Kritiker diese und ähnliche Fragen äußern – zu denken: „gute Frage, nächste Frage!“.
Oder noch schlimmer – oder gar wahrscheinlicher: sie denken darüber gar nicht nach. Dass all das zulasten der Kinder geht, ist kein Wunder. Hier würde tatsächlich nur eine absolute Kehrtwende in der Familienpolitik helfen.
In Sicht ist diese allerdings nicht.
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