Relatives spending time together in summer

Ich habe über 300 Facebook-Freunde  – aber gerade mal um die vierzig bis fünfzig Leute davon kenne ich auch im „echten“ Leben. Meist wurden diese Leute meine Facebook-Freunde, nachdem man sich real kennengelernt hatte.

Obwohl man alltäglich digital miteinander verbunden ist und sich austauscht, so bleibt doch die Verbindung eigentlich immer auf das Internet beschränkt. Auch weil viele der Leute weit weg von meiner Heimat – Sachsen – leben.

Kommt es doch einmal zu einem realen Treffen dann ist das – man muss das so sagen – ein bisschen wie eine Date:  man ist aufgeregt.

Mein erstes Treffen, das sich vom Digitalen ins Reale verlagert hat, war das mit Holger*.

Wir sind auf Facebook aufgrund von zeitgeschichtlichen Themen in Kontakt gekommen, irgendwann schickte er mir eine Einladung zu einer Veranstaltung, die sich mit diesem Thema befasste. Diese fand in einem Restaurant statt und der Moment, bis Holger vor mir stand, war wirklich ein bisschen so, wie man das vom Kennenlernen auf dem Parkett des Datings kennt, nur eben ohne das berühmte Kribbeln, zu dem wohl jeder neigt, der sich mit einem potentiellen Herzenskandidaten trifft…

Da er sich verspätete und das Restaurant proppevoll war, schickte er mir mehrere SMS, mit den Infos, wann er da sein wird und woran ich ihn erkenne. Im sozialen Netzwerk nämlich ist er – wie die meisten dort – ohne privates Foto unterwegs. Das hat meist ernste Gründe, denn die politische Situation in Deutschland ist ja leider wieder an einem Punkt, an dem andersdenkende Menschen – und damit meine ich mitnichten die „Deutschland-ist-bunt“-Fraktion – diffamiert und oftmals auch mit Gewalt auf das Übelste behelligt werden.

Irgendwann dann hatte sich Holger einen Weg durch die Menge gebahnt und wir – die wir seit Wochen zuvor nur online miteinander kommunizierten – standen uns erstmals real gegenüber. Dann ging es auch schon los mit der Veranstaltung und ich freute mich, zu dem, bis dato anonymen, Facebook-Account nun auch ein Gesicht zu haben.

Ähnlich spielte es sich mit Ralf* ab.

Auch ihn kannte ich lange schon auf Facebook, er fiel mir durch seine tief- und feinsinnigen Kommentare auf und ich ordnete ihn von Anfang an dem journalistischen Lager zu, was sich auch bald bestätigen sollte.

Der Anlass, sich real zu treffen, war eigentlich ein unschöner: eine Demo, die sich – im Januar 2016 – gegen die unsäglichen Übergriffe Köln richtete, für mich als Frau, war es Ehrensache, dass ich dort Gesicht zeigen würde.

Auf Facebook stellte ich fest, dass viele andere das ähnlich sahen, mit Ralf verabredete ich mich kurzerhand am Hauptbahnhof. Er würde von weiter her angereist kommen, auch ihm – so schrieb er mir – war es wichtig, nach diesem kriminellen Ereignis, das sogar noch von Politikern und Medien vertuscht werden sollte, auf einer Demo präsent zu sein.

Am Abend der Demonstration stand ich also erstmalig Ralf gegenüber.

Auch hier stimmte die Chemie von Anfang an. Da es stark regnete und wir andere Bekannte, die ebenso an der Veranstaltung teilnahmen, in den Massen – mehrere tausend Menschen erhoben ihre Stimme gegen Merkels Irrsinnspolitik – verloren hatten, hakten wir uns unter und spazierten mit Gleichgesinnten durch die abendliche Großstadt. Wir pflegten zuvor schon digital eine recht aktive Kommunikation und setzten diese nun im wahren Leben fort – eigentlich quatschen wir den ganzen Abend lang.

Im Gegensatz zum gepflegten Smalltalk geht’s bei Treffen dieser Art sofort ans „Eingemachte“, es braucht keine Anlaufzeiten, niemand muss warm werden – man versteht sich einfach!

Gestern nun stand das dritte reale Treffen mit Facebook-Freunden an – ein Geburtstag. Aber nicht irgendeiner: Rita*, eine Frau, mit der ich auch schon einige Zeit auf Facebook befreundet bin, feierte ihren 65. Geburtstag, zuvor hatte mich Markus* – ihr Sohn – dazu eingeladen.

Sie wohnten gar nicht so weit weg von mir – auch in Sachsen – und gegen Abend machte ich mich auf den Weg.

Schon von weitem entdeckte ich das gesellige Grüppchen, aus einem Grill zog Rauch auf, Schlager ertönten – ganz meine Masche!

Als erstes gratulierte ich Rita zu ihrem Geburtstag und freute mich, sie einmal persönlich kennenzulernen, denn auf Facebook hatten wir mehrfach schon festgestellt, wie sympathisch wir uns digital sind. Dieser Eindruck bestätigte sich real einmal mehr.

Auch ihr Sohn, Markus, entpuppte sich – wie schon online – als humorvoll-geselliger Zeitgenosse, man verstand sich auf Anhieb.

Ich machte Bekanntschaft mit den anderen Gästen und sofort war man drin im heiteren Feiern – die Sachsen können das sowieso sehr gut!

Natürlich kam auch diese Feier nicht ohne einen Schwenk auf die aktuelle, politische Lage aus, das war aber auch schon zu DDR-Zeiten so. Zwischen Bratwurst, Salaten und Bier brach sich Unmut Bahn über die Zustände in Deutschland, im Jahre 2016.

Egal, ob man sich vorher kannte oder nicht: spätestens hier wird es immer emotional. Allerdings kamen wir auch rasch auf angenehmere Themen zu sprechen, jeder der Gäste hatte irgendwas Spannendes zu berichten, die schöne Atmosphäre des lauen Sommerabends und die gemütlich dekorierte Terrasse der Gastgeber, taten ihr Übriges.

So vergingen die Stunden wie im Fluge, später wurde eine Feuerschale angezündet und ich freute mich, den Abend mit solchen lieben Zeitgenossen verbringen zu dürfen.

Als ich aufbrach, wurde es noch einmal laut: Markus drehte den Regler der Stereo-Anlage hoch und ließ ein Lied ertönen, das wir Sachsen alle kennen und das als heimliche Hymne für Treffen dieser Art eigentlich immer passt: „Sing, mei` Sachse sing!

*Namen geändert

Bildnachweis: Fotolia, https://de.fotolia.com/id/69114815

Datei: #69114815 | Urheber: pressmaster

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