Dicke Sparschweine, aus denen die Geldscheine auf den edlen Parkettfußboden flattern – eigentlich kein Bild, dass man mit Kinderarmut – die vor allem beim Nachwuchs von Alleinerziehenden vorherrscht – verbindet.

Dennoch hielt das Ministerium von Manuela Schwesig dieses zynische Foto wohl für richtig, um ausgerechnet damit die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses auf der Homepage des Bundesfamilienministeriums zu kommunizieren.

Abgesehen von dem ganz und gar nicht passenden Bild, ist auch die Unterhaltsvorschuss-Angelegenheit für die meisten der Kinder von Alleinerziehenden ein Nullsummenspiel, wie der SHIA e. V. Landesverband Sachsen – ein Verband, der sich nunmehr seit 25 Jahren für alleinerziehende und finanziell benachteiligte Familien einsetzt – festgestellt hat.

Das bewog die Mitarbeiter/innen des Verbandes um Geschäftsführerin Brunhild Fischer zu einem Brief an die Familienministerin, den wir hier veröffentlichen:

“Sehr geehrte Frau Bundesfamilienministerin Schwesig,

so sehr wir – der SHIA (Selbsthilfegruppen Alleinerziehender) e.V., Landesverband Sachsen – die zum 1. Juli 2017 in Kraft tretende Neuregelung des Unterhaltsvorschussgesetzes als einen wichtigen Schritt hin zum Abbau einer gravierenden Ungleichbehandlung von Kindern Alleinerziehender begrüßen –, genauso dezidiert kritisch weisen wir Sie darauf hin, dass die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses noch längst nicht “ein gutes Aufwachsen für alle Kinder” ermöglicht, wie dies Ihre Bildunterschrift zur Meldung vom 23.01.2017 suggerieren möchte.

Mehr als die Hälfte aller Alleinerziehenden in Leipzig waren laut Sozialreport der Stadt Leipzig im vergangenen Jahr zur Absicherung ihres und des Lebensunterhaltes ihrer Kinder auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen. Jedes 4. Leipziger Kind bezieht Leistungen nach dem SGB II – und in vielen anderen deutschen Städten ist die Lebenssituation alleinerziehender Mütter und ihrer Kinder nicht weniger alarmierend.

Diese Kinder – es sind die ärmsten Kinder in unserem reichen Land – profitieren von der Neuregelung des Unterhaltsvorschusses in keiner Weise, haben davon nicht einen einzigen Cent. Schlicht, weil ihre alleinerziehenden Mütter vor die schiere Unmöglichkeit gestellt sind, Beruf und Familie, Familien- und Arbeitszeit verantwortungsvoll zu vereinbaren und deshalb gezwungen sind, nicht existenzsichernde, sozial mangelhaft abgesicherte Arbeitsverhältnisse in Kauf zu nehmen. In den meisten Fällen sind sie trotz Arbeit auf Sozialleistungen angewiesen, welche mit dem Unterhaltsvorschuss verrechnet werden. Für diese Alleinerziehenden und ihre Kinder ist die Neuregelung des Unterhaltsvorschusses ein verlogenes Nullsummenspiel.

Die Lebenswirklichkeit von Kindern in Alleinerziehendenfamilien – in den neuen Bundesländern wächst immerhin jedes 4. Kind in einem Alleinerziehendenhaushalt auf – ist weit davon entfernt, dass die Geldscheine über den Parkettfußboden flattern, wie das Ihre Meldung vom 23.01.2017 zuckersüß dekorierende Foto glauben machen möchte.

Wir behaupten, dass keines der Kinder, deren alleinerziehende Mütter tagtäglich unsere Beratung aufsuchen, ein dickes Sparschwein besitzt. Wie Sie wissen, sind laut SGB II dicke Sparschweine für Kinder im Sozialleistungsbezug nicht vorgesehen – genauso wenig wie Chancen- und Teilhabegerechtigkeit und eine bedarfsgerechte Bildung und Förderung der individuellen Begabungen, Fähigkeiten und Bedürfnisse dieser Kinder.

Das Ihre Meldung vom 23. Januar illustrierende Foto und die Bildunterschrift erwecken völlig ungerechtfertigt einen Eindruck vom wohlhabenden Leben Alleinerziehender und ihrer Kinder. Es zeugt weder von einem sozialverantwortlichen Bewusstsein der tatsächlichen Problemlage noch vom politischen Willen, an dieser beschämenden, Alleinerziehende und ihre Kinder benachteiligenden und diskriminierenden Lage etwas ändern zu wollen. – Aus diesem Grund fordern wir Sie dazu auf, dieses Bild und den dazugehörigen Satz umgehend von Ihrer Homepage zu entfernen!

Grund zum Feiern?

Vor allem sehen wir derzeit genügend Grund und Anlass dazu, endlich genau hinzuschauen, den äußerst prekären Lebens- und Arbeitsalltag vieler Alleinerziehender realistisch wahrzunehmen und klar zu benennen – anstelle ihn mit realitätsfremden Losungen und dümmlichen Bildchen zu verklären. Klare Anerkennung und deutliche Benennung – statt Ignoranz und Beschönigung – wären die allerersten Schritte, um darauffolgend Maßnahmen zur Bekämpfung der Kinderarmut und zur Verbesserung der Situation Alleinerziehender zu ergreifen.

Was wir von Ihnen – auch im Hinblick auf die diesjährige Bundestagswahl – erwarten, ist nichts Geringeres als das!

Gerne werden wir feiern, wenn sich die Lebenswirklichkeit alleinerziehender Mütter in Deutschland spürbar verbessert!

Für Rückfragen und positive Anregungen hinsichtlich tatsächlicher bedarfsgerechter Verbesserungen für Alleinerziehende und ihre Kinder stehen wir Ihnen gern persönlich für ein Gespräch zur Verfügung

und verbleiben

mit bestem Dank für Ihre Bemühungen und freundlichen Grüßen aus Leipzig,

Brunhild Fischer

Pressesprecherin SHIA e.V. Bundesverband /

Geschäftsführerin SHIA e.V. LV Sachsen /stell. federführender Verband der Landesarbeitsgemeinschaft der Familienverbände im Freistaat Sachsen, Gitta Teubner-Mangue ”

Bildnachweis: pexels.com

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