Ein Gastbeitrag von Ines.
Ab Mitte 40 Single und Frau zu sein, mit Wohnsitz auf dem Land, ist nicht ohne. Ich weiß, wovon ich rede, denn ich bin so eine Frau: ledig, 44 Jahre jung und auf dem Land lebend.
Dass ich mal im Ländlichen lebe, wäre für mich – als „Stadtpflanze“ – nie in Frage gekommen, aber wie das manchmal so ist:
der Traumjob lockte!
Dass ich den ausgerechnet zwischen Wiesen und Feldern finden würde, hätte ich nie gedacht, aber es ist so. Ich bin leitend im Marketing eines ländlichen Tourismusvereins tätig und der liegt nun mal nicht in der Stadt.
Deshalb zog ich vor zwei Jahren in ein 300-Seelen-Dorf, drum herum Natur, viele Ruhe und sonst nichts weiter. Genau das, wofür ich in meinem Beruf für diese erholsame Region werbe.
Nun ja – als es mich ins dörfliche verschlug, war ich schon Single – nicht wirklich gern allerdings.
Wie wohl viele Frauen in meinem Alter probierte ich es hin und wieder mit Onlinedating, aber die große Liebe habe ich bislang dort nicht gefunden. Ebenso wenig treffe ich im realen Leben – im Supermarkt oder an der Tankstelle – Männer, mit denen ich ins Gespräch komme. Großartig ausgehen tue ich nicht mehr, mein gesamter Freundeskreis hat inzwischen Familie.
Und nun Dorf….Tja: wie sich das auf Dauer mit meiner Partnersuche verträgt, weiß ich noch nicht. Hier in meinem Umfeld gibt es auch keine Singles. Nicht wirklich. Ein, zwei ledige Dorfkauze – aber ansonsten lebt kaum einer allein.
Verwitwete alte Menschen mal ausgenommen.
Umso erstaunter war ich, als es kürzlich zu einer Begegnung zwischen mir und einem männlichen Single aus der Region kam – allerdings in einem anderen Zusammenhang. Ich hatte ein Problem mit meinem Wasserhahn und ein Nachbar empfahl mir einen Arbeitskollegen, der ein Dorf weiter wohnte. Ich sollte Sven, so sein Name, einfach anrufen, der kenne sich mit sowas aus.
So der Ratschlag des Nachbarn, verbunden mit der Herausgabe der Telefonnummer von diesem Sven, an mich.
Das ist übrigens das Schöne hier auf dem Land: braucht man Hilfe, wird nicht lange geredet, sondern gehandelt. Eine Eigenschaft, die ich an den ländlichen Bewohnern hier (mit denen ich auch sehr schnell warm wurde) absolut schätze.
Ich klingelte also bei Sven durch. „Kein Problem, in `ner Stunde bin ich da und schaue mir das mal an“ bekam ich zu hören.
Er hielt Wort und schon kurze Zeit später war er an meinem Wasserhahn zugange.
Dabei kamen wir ins Gespräch. Sven war geschieden und hatte zwei Kinder im Teenager-Alter. Darüber redete er etwas, ich gab meinen Senf dazu und irgendwann waren wir beim Thema „Partnersuche“.
„Ach“ – Sven winkte ab – „das ist für mich kein Thema, denn ich lerne ständig Frauen kennen“!
Ach so – ich war erstaunt und hakte nach, was er tut, damit ihm die weibliche Aufmerksamkeit zuteil wird.
„Supermarkt“ sagte Sven nur knapp, während er mit dem Schraubschlüssel zwischen meinem Wasserhahn und dem Spülbecken hantierte.
„Supermarkt“? Ich verstand nur Bahnhof.
„Na ja, wenn ich einkaufen gehe und manchmal suchend und vielleicht etwas verloren zwischen den Regalen herumstehe, was denkst Du, wie rasch Frauen mich ansprechen?!“
Ich horchte auf.
„Ja“ fuhr mein Heimhandwerker fort „selbst am Getränkerückgabe-Automat habe ich schon Frauen kennengelernt, erst kürzlich wieder, als eine Frau dort nicht zurecht kam“
Aha. Bemerkenswert.
Für manche Menschen scheint die „im-Supermarkt-jemanden-kennenlernen“-Nummer tatsächlich zuzutreffen! Interessant! Mir widerfuhr sowas noch nie und ich kenne eigentlich auch niemandem im Freundeskreis, dem das geschah.
„Das Schärfste“ – Sven sah mich listig an und fuhr fort: „Du glaubst nicht, wie viele erotische Bilder ich nach solchen Supermarktbegegnungen, bei denen meist auch Nummern ausgetauscht werden, von den Frauen bekomme!
Ich war baff. „Es ist wahrscheinlich das vermeintlich Hilflose, wenn Frauen denken, dass ich in den Regalen irgendwas nicht finde und sie dann helfend auf mich zukommen“ erklärte Sven das Phänomen, das ihm wohl häufiger mal widerfuhr.
„Insofern“ betonte er noch mal ausdrücklich „habe ich eigentlich kein Problem damit, Frauen kennenzulernen“
Ich wagte die Frage, wie es kommt, dass er trotz allem Single ist?
„Wenn es losgeht, mit den Stories über den Ex oder Frauen mir erzählen, dass sie ihren Verflossenen vor Gericht gezerrt haben“.
Sven sah mich an: „das ist nichts für mich, da mache ich sofort dicht“.
Das verstand ich und nickte.
„Seit meine Frau weg ist, habe ich das Kochen für mich entdeckt, für den Moment ist mir das Anrühren einer schmackhaften Suppe allemal lieber, als Frauen, die ihre Vergangenheit nicht abgeschlossen haben!“
Er dreht den Hahn an meinem Waschbecken fest.
„Hier – geht wieder“ – er klopfte fest auf den Wasserhahn. Ich bedankte mich, drückte ihm einen Zwanziger in die Hand und verabschiedete mich.
„Lass uns mal telefonieren“ schlug Sven vor, als er mir die Hand gab. „Vielleicht kochst Du ja auch gerne…“
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