Gestattet mir im Nachgang das vertrauliche Du. Obwohl wir uns nie persönlich begegnet sind, wart Ihr doch für mich und sicherlich viele andere so etwas wie der Busfahrer im Schichtbus, die Postfrau im Dorf oder der Schaffner im Vorortzug.
Nur eben im Fernsehen.
Ganz entgegen zu den Typen, die ihr so gern gespielt habt, habt ihr euch leise davon gemacht. Alle beide. Ganz besonders Du, Götz. Die Öffentlichkeit erfuhr erst von Deinem Tod, als selbst die Beerdigung schon lange vorbei war.
Der Boulevardpresse, mit der ihr beide ein Leben lang überkreuz wart, habt ihr damit eine letzte Nase gedreht. „Manne“ hatte schon in fast jedem Tatort über die „Blödzeitung“ hergezogen. Womit wir schon bei den Gemeinsamkeiten wären. Zufall oder nicht, aber der eine von Euch, Manfred, wurde in Duisburg geboren. Ausgerechnet in der Stadt, die zum Fernsehrevier von Kommissar Schimanski wurde.
Vielleicht auch kein Zufall, dass Ihr beide fast gleichalt wurdet. Der eine kam 1937 zur Welt, der andere ein Jahr später. Beide habt ihr je eine Tochter. Eheeskapaden oder Futter für die Boulevardpresse waren von Euch nicht zu erwarten. Euren Lebensweg, die vielen Filme und Projekte wurden von der Presse ausgiebig beleuchtet und gewürdigt. Wer will, kann das alles nachlesen.
Dieser Gruß erhebt nicht den Anspruch auf vollständige Würdigung Eures Gesamtwerkes. Bei der Bandbreite Eurer Arbeit hat sicher jeder so seine Lieblingsfacette. Für mich seid Ihr immer nur und in alle Ewigkeit Horst Schimanski und Liebling Kreuzberg.
Bei Dir, Götz, war das für mich ganz klar Deine unkonventionelle Art, die Dinge anzugehen, um es mal fein auszudrücken. Für einen im tiefsten Osten Aufgewachsenen und Sozialisierten machtest Du diese fremde Welt tief im Westen, den Ruhrpott, fühlbar und schmeckbar. Noch heute verspüre ich beim Anschauen alter Tatorte mit Dir den Wunsch, jetzt eine Büchse „Hansa-Pils“ oder „Dortmunder-Union“ aufzumachen und dazu am liebsten in eine der vielen für das Ruhrgebiet typischen „Trinkhallen“ einzukehren.
Dort, wo jeder Satz mit den Worten „Hör ma“ beginnt und mit „alte Wämser“ endet. Ganz zu schweigen von der genussvollen Dauervergewaltigung der deutschen Grammatik. Du warst im Film da, wo es herzlich und derb zuging. Wo am nächsten Tag alles wieder vergessen war, auch, wenn es am Vorabend etwas laut oder mit Kneipenkleinholz geendet hatte. Mit der Rolle des Horst Schimanski warst Du eine Ikone der 80iger Jahre. Egal, was davor war und danach kam. Es war die Rolle Deines Lebens.
Aber die Grünen haben inzwischen auch dem heimeligen Zischen von Bierdosen den Garaus gemacht. Wahrscheinlich hättest Du heute auch statt des ehrpusseligen Tanner längst eine weibliche Co-Kommissarin als Partner, die Du um Himmels Willen nicht mit Deinen bärenhaften Anmachversuchen belästigen könntest.
Da sei die Gleichstellungsbeauftragte vor.
Wobei man sich wahrscheinlich im Rheinischen derzeit nichts sehnlicher wünschte als einen echten Schimanski, der auch Silvester am Bahnhof nicht wegschaut.
Vom gleichen Schrot und Korn warst Du, Manne. Wobei es einen Manfred Krug „Ost“ und einen „West“ gibt. In der DDR war es ungeschlagen die Rolle des Hannes Balla in „Spur der Steine“, die Dich unsterblich machte. Man fragt sie heute, wenn der MDR den Film zum x-ten Mal zu später Stunde wiederholt, warum um alles in der Welt die DDR diesen Film auf den Index setzte. Er wäre die perfekte Werbung für das „Projekt DDR“ gewesen.
Man hätte sagen können: Seht her, wir zeigen doch ungeschminkt die ganzen Probleme und menschlichen Unzulänglichkeiten, die es gibt. Bloß weil ein Volkspolizist mal ins Wasser geschubst wurde und ein Kombinatsdirektor keinen Plan hatte, siegte am Ende der Kleingeist. Daraus konnte nichts Vernünftiges werden. Obwohl „unsere Menschen“ anfangs durchaus willig mit anpackten, wurde ihnen jegliche Eigeninitiative ausgetrieben. Sehr gut dargestellt in dem weniger bekannten Film „Feuer unter Deck“ von 1977, wo Du einen Raddampferkapitän auf der Elbe spieltest. Im Westen hast Du noch mit der LKW-Fahrerei bei „Auf Achse“ an das Malocher-Image aus der DDR angeknüpft, aber wohl bald gemerkt, dass hier längst nicht mehr die „Arbeiterklasse“ den Ton angibt, auch wenn Sozialdemokraten die Regierung stellen.
Die Rolle, die Dir hier im wahrsten Sinne des Wortes auf den Leib geschrieben war, war die des „Liebling Kreuzberg“. Mit Herz, Schnauze und Pfiffigkeit spieltest Du diesen Anwalt so echt, dass ich mir gut vorstellen kann, wenn junge Leute damals in ihrer Studienwahl von Dir beeinflusst wurden. Obwohl der tatsächliche Juristenalltag eher selten so bunt und garniert mit effektvollen Auftritten vor Gericht ist.
Damit und natürlich mit der Rolle als feiner hanseatischer Kommissar Stoever hast Du mächtig Punkte gesammelt beim Volk. Es war kein Zufall, dass die Telekom in den Neunzigern ihre Volksaktie mit Deinem Gesicht und Deinen Werbeauftritten im Fernsehen bewarb. Offensichtlich auch mit Erfolg. Du hattest jedoch auch die Größe, Dich später zu entschuldigen, als die Sache anders ausging als es die wolkigen Versprechungen der Banker vorhergesagt hatten.
Ich war damals noch Student und hätte sowieso kein Geld gehabt für Aktien. Insofern kratzte das Debakel nicht am Image meines Idols.
Ich glaube aber auch kaum, dass Dir selbst Menschen, die damals Geld eingebüßt haben, heute deswegen noch gram wären. Ich schrieb damals als junger Volontär einen Kommentar mit dem Titel „Und Manne macht da mit“. Horst Schimanski hätte bei sowas laut und ziemlich oft „Scheiße“ gerufen wie in seinen Tatorten. Aber so einem wie Manne kann man verzeihen. Man sagt: Arschgeige, quatsch nich so ville und bestell lieber noch´n Bier. Und dann ist es auch wieder gut.
So in etwa werden Euch sicher viele in Erinnerung behalten. Mit Euch ist ein Stück deutscher Geschichte gegangen. Sowohl was Eure Rollen als auch Eure Vitas angeht. Und Ihr wart irgendwie die Kumpels, die unsichtbar mit am Tresen lümmelten, wenn über Motorräder und Frauen geklönt wurde. Im Alter dazu ein gutes Schlückchen und ´ne Zigarre.
In diesem Sinne: Macht´s gut, ihr Beiden. Ihr werdet mir fehlen. Zum Glück gibt es Eure Filme. Ein letztes „Prost“ auf Euren Weg. Und ehe wir rührselig werden, gleich noch ein „Scheiße“ hinterher, weil die Büchse unter Druck stand und so ein Ding heute 25 Cent Pfand kostet. Ich weiß, Ihr hättet sie trotzdem in den Straßengraben gefeuert.
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