Abgeschieden und im Einklang mit der Natur leben – was für manchen auf ewig ein Aussteigertraum bleibt, ist für die Engländerin Amanda Owen lange schon Realität.
Die naturverbundene Frau, deren Herz immer schon für Landarbeit und Tiere schlug, lebt mit ihrem Mann und den – mittlerweile neun – Kindern auf einer Farm in den Yorkshire Dales.
Die Yorkshire Dales, die in Großbritannien einfach nur „die Dales“ heißen, bilden eine ländliche, dünn besiedelte Region in den nordenglischen Grafschaften North Yorkshire, West Yorkshire und Cumbria.
Über das Leben in diesen Dales hat Amanda Owen ein Buch geschrieben. Es heißt: „Die Schäferin von Yorkshire – mein Leben mit sieben Kindern, 900 Schafen und einem Mann“.
Von Beginn an wird man als Leser in dem Buch prima „mitgenommen“ und kann sich, anhand Owens Schreibstil, sehr gut in das Farmerleben hineinversetzen.
Owen beschreibt, wie alles begann – wie sie als junge Frau in einem ganz normalen Laden jobbte, sich aber immer wohler fühlte, wenn sie sich in der Nähe von Ställen und von Tieren aufhielt und dort mit anpacken konnte. Fast hat man das Gefühl, dabei zu sein, wenn die Autorin von verschiedenen Einsätzen in ländlichen Gefilden schreibt, bei denen sie etwa bei der Schafschur mit hilft oder Farmern auf dem Land beim Desinfizieren ihrer Tiere zur Hand geht .
Selbst wer vom Landleben wenig Ahnung oder nichts am Hut hat, wird sich, aufgrund des mitreißenden-interessanten Stils, mit dem Amanda Owen aus ihrem Leben berichtet, die im Buch beschriebenen Szenerien gut vorstellen können. Die tierbegeisterte Owen beschreibt, wie sie eines Tages, für einen Bekannten, einen Schafbock in Ravenseat, einer abgelegene Farm in den eingangs erwähnten Dales, abliefern soll.
Die Farm Ravenseat sollte für Owen ein Schlüsselerlebnis sein – denn sie verliebte sich nicht nur in Besitzer und Farmer Clive, sondern in Ravenseat und den gesamten Landstrich der Dales gleich mit.
War das Buch bis dahin schon unterhaltsam und interessant, so beginnt jetzt der spannendste Teil. Spannend insofern, weil Amanda Owen detailliert und auf eine ihr eigene Art den Alltag auf der Farm beschreibt – ihr Leben, das sie nun mit Farmer Clive lebt, eingeschlossen.
Sie schreibt mit viel Humor, zum Beispiel solche Sachen: „Als ich nach Ravenseat kam, war Kochen für mich ein rotes Tuch, doch mir blieb nichts anderes übrig, als schnell dazuzulernen. Clive sagte zum Beispiel nur: „Hier, ein Ochse für die Truhe“.
Man bekommt durch Amanda Owens Geschichte eine Ahnung, was es heißt, so abgeschieden zu leben und tagtäglich Verantwortung für eine Menge Tiere zu haben. In Amandas Fall Schafe. Alles in Ravenseat dreht sich um Schafe, es ist in dieser Gegend Tradition, diese Tiere zu halten, um die 900 von ihnen leben auf der Farm.
Und wenn Owen in ihrem Buch, von Anfang an, ihre Liebe zum Beruf der Schäferin beschreibt, den sie dann in Ravenseat vollumfänglich ausübt, bekommt auch der Laie in Sachen „Schafzucht“ einen guten Einblick.
Man erfährt von Schaf-Auktionen, von Höchstpreisen, die solche Tiere auf Wettbewerben erringen können und bekommt erklärt, wie das „Ablammen“ vonstatten geht oder das Schafe scheren.
Amanda Owen gelingt es in ihrem Buch, landwirtschaftliche Themen mit persönlichen Einblicken zu mischen. Und das auf eine höchst ansprechende Art und Weise, die dazu führt, dass man das Buch am liebsten in einem Ritt durchlesen würde. Mir ist das zeitlich nicht gelungen, aber ich habe mich jeden Abend auf die neuen Kapitel aus und über Ravenseat gefreut.
Als Frau und Mutter war ich zudem fasziniert über die erfrischenden Berichte von Owen in Sachen Geburt. Die Autorin ist – inzwischen – neunfache Mutter, über die Geburten von sieben Kindern berichtet sie im Buch.
Allerdings beschreibt sie keine Wehen-Schmerzen, sondern berichtet darüber, wie es sich gestaltet, wenn man in einer so abgelegenen Gegend lebt und kurz vor der Geburt steht. Selbst der Krankenwagen aus dem nahegelegensten Stützpunkt braucht bis nach Ravenseat circa eine Stunde.
Amüsant und kurzweilig beschreibt Owen, wie einige ihrer Kinder denn auch „unterwegs“ – in den Weiten der Dales, nur mit Hilfe der Krankenwagen-Besatzung – auf die Welt kamen.
Amüsant auch die sympathischen Beschreibungen derer, die als Wanderer nach Ravenseat kommen und dort einen Imbiss nehmen. Die Autorin ist nicht nur Schäferin, Ehefrau und Mutter – sie betreibt auf der abgelegenen Farm auch ein kleines Café, das sie individuell und in der Saison öffnet. Auch hier gibt es manche Episode, die zum Schmunzeln anregt oder irritierend ist, wie etwa die Aussage eines Wanderers, der da meinte, ob denn Amanda und ihr Ehemann „die Kinder in dem abgelegenen Fleckchen Land verstecken wollen? Und dieses Leben ja wohl nicht die reale Welt sei!“.
Sehr interessant lesen sich auch die Passagen, in der die Autorin über ihre Kinder – das Familienleben prinzipiell – schreibt. Auf der Farm hat jedes Familienmitglied seine Aufgabe, auch die Kleinen sind bereits in der Pflicht. Belohnt werden sie mit einem Leben in der Natur, mit vielen Tieren – natürlich sind es längst nicht mehr nur Schafe, die auf Ravenseat ihr Zuhause haben – und ohne viel Schnick-Schnack. Owen schreibt dazu: „Ich gehe mit meinen Kindern nicht auf den Spielplatz zum Schaukeln, in den Park zum Ballspielen oder ins Schwimmbad zum Schwimmen. Das können sie auch alles bei uns draußen tun, sie haben vielfältige Abwechslung und ihre Kindheit findet in der Natur stat. Sie essen gut, schauen selten Fernsehen und haben viele Freiheiten. Es macht mich stolz zu sehen, wie sie sich entwickeln.”
Die Kinder von Amanda und Clive sind auf dem Rücken der Pferde zuhause, im Hochmoor, auf den Weiden, auf den Wiesen und an den Flußufern, die die Farm Ravenseat umgeben.
Ein ungewöhnliches Leben. Aber – so wie es dem Leser vermittelt wird und erscheint – ein schönes.
Die literarische Reise nach Ravenseat jedenfalls hat Spaß gemacht, war super-interessant und der Einblick in so ein ungewöhnliches Leben weitet auch den eigenen Horizont. Denn vieles über das so abgelegenene Leben auf einer Farm erfährt man ansonsten wohl kaum.
Wunderbar auch diese Worte der Autorin: „Ich wünsche mir, dass Ravenseat ein heimeliger Platz ist, warm und gemütlich, wo die Kinder glücklich und entspannt sein können, wo die Welt nicht untergeht, nur weil ein schlammbedeckter Terrier sich vor dem Feuer ausstreckt. Ein Ort, wo kleine Lämmer sich am Kamin wärmen können.“
Unser Fazit ist ganz klar: das Buch „Die Schäferin von Yorkshire“ ist überaus lesenswert! Genau das richtige für die kommenden, dunklen Wintermonate! Erschienen ist es im Osburg-Verlag.
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