Ein Gastbeitrag von Yvette, wohnhaft in einem Mehrgenerationenhaus.
„Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ – es gibt wohl kaum ein anderes Thema, das von Frauen so heftig und ausgiebig in den sozialen Netzwerken, in Mama-Foren sowie in Mütter- oder Familien-Blogs, diskutiert wird.
Neben Liebeskummer, Backrezepten und der Endlos-Schleife „Mann“.
Mittlerweile ist die Vereinbarkeit, die es ja so gut wie gar nicht gibt, auch in der Politik angekommen, viele der Volksvertreter überschlagen sich im Präsentieren von Lösungen.
Allerdings bleibt es seit Jahren zumeist bei Lippenbekenntnissen. Da eher werden die Arbeitgeber aktiv und bieten ihren Mitarbeitern verschiedene Modelle zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf an. Gleitzeit, Home-Office, Betriebskindergarten – vieles ist möglich.
Allerdings sind diese Arbeitgeber bislang in der Minderzahl und zur Wahrheit gehört es auch, dass es sich zumeist um sehr gut laufende und nicht selten sehr namhafte Firmen handelt.
Natürlich sind auch viele kleinere, mittelständische Unternehmen sehr familienfreundlich und gehen auf die Bedürfnisse von Arbeitnehmern mit Nachwuchs ein, aber die Masse – ist es eben noch nicht. Zudem funktioniert die gute Vereinbarkeit bei kleineren Betrieben eher über das persönliche Verständigen als über groß angelegte, betriebliche Maßnahmen.
So oder so: es ist supergut, dass viele Unternehmen, ganz gleich wie groß, ein offenes Ohr in Sachen Vereinbarkeit haben, aber für die Masse der (weiblichen) Arbeitnehmer dürfte es nach wie vor ein Balance-Akt sein, den Gelderwerb mit der Betreuung von (kleineren) Kindern in Einklang zu bringen.
Nicht zuletzt daraus dürfte es resultieren, dass das Wohnen mehrerer Generationen unter einem Dach in den letzten Jahren einen regelrechten Schub erfuhr.
Das Mehrgenerationenhaus feiert nämlich sein Revival. Wurde es vor einem Jahrzehnt fast noch belächelt, wenn Muttern nebenan wohnte – womöglich noch auf einem Bauernhof im 150-Seelen-Nest – begeistern sich heute immer mehr junge Familien für diesen Lebensstil, der sich gern auch im Ländlichen abspielen darf.
Und – natürlich! – es macht auch Sinn. Wenn beispielsweise – ich plaudere jetzt mal aus meinem eigenen Nähkästchen – die Eltern sowieso in der Nähe wohnen und man sich viel sieht und auch gut versteht, ist es ein äußerst kluger Schachzug, sich zusammen, wenn dann Nachwuchs da ist, eine Immobilie zu kaufen oder auch zu mieten.
In meinem Fall war es ein Kauf. Wir, also mein Partner und ich, wohnten in guter “Fast-Innenstadtlage” einer ostdeutschen Metropole, meine Eltern nur zwei Kilometer weiter, in einem Randbezirk.
Als ich dann schwanger war ging sie los, die Wohnungssuche in unserer Großstadt. Vier Zimmer waren gewünscht, bitte in dem Stadtteil, in dem wir so gerne wohnten.
Nun ja, Wohnungen gab es, allerdings waren die jeweiligen Mieten jenseits von Gut und Böse. 1.200,00 € für eine 4-Zimmer-Wohnung kalt, in einer sächsischen Großstadt mögen für manchen Münchner geradezu traumhaft erscheinen, uns war es aber zu teuer.
Hinzu kam, dass es keine Kindergartenplätze gab. Wenn wir Einrichtungen besichtigten, taten wir das im Pulk von um die jeweils 40 Eltern. Alle gierten nach einem Platz.
Den gab es aber nur selten.
Wartelisten waren angesagt, so mancher wagte sogar Bestechungsversuche (nützte aber nichts!).
Und dann kam ein weiterer Umstand hinzu: meinem Vater ging es gesundheitlich nicht mehr so gut. Meiner Mutter fiel es zunehmend schwerer, hier zu agieren.
Nachdem also Wohnungs- und Kindergartenplatzsuche erfolglos blieben, setzten wir uns mit meinen Eltern zusammen. Irgendwann kam das Gespräch darauf, dass ja vielleicht das Wohnen unter einem Dach alle Bedürfnisse in Einklang bringen könnte.
Wir könnten meiner Mutter mit der Pflege meines Vaters zur Seite stehen und meine Mutter, immerhin ausgebildete Kinderkrippenerzieherin, wäre schnell auch mal für das Kleine da. Ein Vorteil war und ist, dass ich freiberuflich von daheim aus arbeite und somit nur mein Partner zur Arbeit pendeln müsste.
„Gegenseitige Unterstützung mit getrennten Eingängen“ – auf dieses Motto verständigten wir uns schließlich und schauten am nächsten Tag schon mal, was der Immobilienmarkt so zu bieten hatte.
Zwischenzeitlich konnte ich auch in Erfahrung bringen, dass die Kindergärten auf dem Land, in der Nähe zu unserer Stadt, Kapazitäten hatten und ein Betreuungsplatz dort ohne Weiteres zu bekommen war.
Nun – es dauerte nicht lange und wir hatten Glück. Meiner Mutter war bei einer Autofahrt ein zu verkaufendes attraktives Grundstück mit einem Zweifamilienhaus, so wie wir uns das vorstellten, aufgefallen und so vereinbarten wir rasch einen Besichtigungstermin.
Das Haus entpuppte sich als Treffer und wir erwarben es.
Sowohl für meine Eltern als auch für uns war es räumlich großzügig genug und der Garten hinterm Haus war mehr als idyllisch.
Was soll ich sagen?! Mittlerweile ist mein Kind bereits schon einige Zeit auf der Welt und das Miteinander im Mehrgenerationenhaus klappt wunderbar!
Einen Betreuungsplatz in der Kinderkrippe bekamen wir umgehend und auch meinem kranken Vater hat der Wechsel in ein naturnahes Wohnumfeld gut getan. Mein Partner und ich unterstützen meine Mutter bei der Pflege meines Vaters (die sich noch in Grenzen hält) und im Gegenzug nimmt meine Mutter auch mal das Kind, wenn ich Telefontermine oder geschäftliche Treffen habe und mein Partner noch auf der Arbeit ist.
Gekocht wird immer für alle, mal brutzeln wir, mal meine Mutter.
Ebenso ist die Oma zur Stelle, wenn ich noch zu tun habe und das Kind aus der Kinderkrippe abgeholt werden muss. Dann kommt mein Vater zu uns herüber, ist hier unter meinen “Fittichen” und meine Mutter fährt eben das Kind abholen. Das funktioniert auch auf Zuruf, wenn bei mir zum Beispiel spontan ein wichtiger Telefontermin hereinkommt.
Ansonsten versuche ich (mein Partner arbeitet meist bis mindestens 17.00 Uhr und ist nicht vor 17.30 Uhr daheim) nur bis 15.00 Uhr und dann erst abends wieder zu arbeiten.
So kann ich den Nachmittag komplett meinem Kind widmen, nicht selten zusammen mit Opa und Opa, mit denen oft gemeinsam – wie in der guten alten Zeit – Punkt 16.00 Uhr Kaffee getrunken wird. Im Sommer natürlich im Garten, ein Pluspunkt, den wir sehr zu schätzen wissen. In der Stadt konnten wir gerade mal auf einem 2 x 2-Meter-Balkon ins Freie treten.
Jetzt hier im Sommer – sonntags sogar im Nachthemd – mit zwei Schritten im eigenen, uneinsehbaren Garten zu sein, ist Lebensqualität, die wir sehr zu schätzen wissen.
Und wann immer uns mal nach Großstadtflair ist: nur 30 Autominuten trennen uns von unserem einstigen Lebensmittelpunkt, der quirligen Metropole.
Allerdings: seit wir hier leben, sind wir richtige „Landeier“ geworden, so richtig Lust auf Party und Event haben wir eigentlich nicht mehr.
Was wir manchmal noch machen: schön frühstücken oder essen gehen in der Großstadt. Mal mit Kind, mal ohne Kind. Wenn ohne: es ist tatsächlich ein wunderbares Gefühl, das Kind solange in den besten Händen zu wissen. Nämlich in denen der Familie.
Insofern unser Tipp: wer sich nur annähernd für dieses Familien-Lebensmodell interessiert, sollte es angehen!
Das Schöne: Immobilien auf dem Land gibt es derzeit noch, vor allem solche, die auf etwas handwerkliche Aufhübschung warten. Wer hier Geschick oder Freunde aus Handwerkskreisen und einen nicht allzu langen Pendelweg zur Arbeit hat, dem sei diese Art zu wohnen unbedingt ans Herz gelegt!
Allerdings gilt auch: nicht zu lange warten! In einigen Speckgürteln verschiedener Großstädte werden Immobilien rar. Der nächste Run dürfte sich im Ländlichen abspielen. Sollte man wissen…Mehr zum Thema Vereinbarkeit lesen Sie auch hier.
Bildnachweis: (c) dpa