Podium Brunhild FischerBeim ersten Wirtschafts- und Sozialgespräch in Leipzig wurde Klartext geredet. 

Der Saal der Leipziger IHK war gut gefüllt, die Gästeschar gemischt. Frauen und Männer, Unternehmer_innen, Vertreter_innen von Institutionen, Familien, Freiberufler, Geschäftsführer_innen und viele Teilnehmer mehr.

Ihnen allen brennt eine Thematik unter den Nägeln: familiengereche Arbeitszeitmodelle.

Sie sind am Nachmittag des 6.11.2014 der Einladung des SHIA e. V., Landesverband Sachsen, gefolgt, der sich seit Jahren für Familien, vorwiegend für „Ein-Eltern“-Familien, einsetzt.

Frontfrau Fischer setzt sich lange schon für die familiengerechten Arbeitszeitmodelle ein!

Vor allem „Frontfrau“ Brunhild Fischer (im Bild oben links), ehrenamtliche Geschäftsführerin von SHIA und selbst allein erziehend, hat die Fähigkeit, Worte wie Pfeile zu gebrauchen. Und diese sitzen dann auch….! Eindringlich trug sie das Anliegen dieses – vom Verein organisierten – ersten Wirtschafts- und Sozialgespräches, dessen Inhalt die familiengerechten Arbeitszeitmodelle sind, vor.

Fischer hatte auch schon konkrete Vorschläge im Gepäck. Kein Wunder – ist sie doch tagtäglich mit den Sorgen und Nöten von Alleinerziehenden und Familien konfrontiert. Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, so der Tenor der Menschen, die Fischer und ihr Team aufsuchen, ist eine der größten Herausforderungen, die berufstätige Frauen und Männer zu stemmen haben.

Podium
Podium

Damit sich auch die anwesenden Politiker – Fachdelegierte aus den Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, stellv. Fraktionsvorsitzende Dr. Claudia Maicher, Fraktion DIE LINKE, MdL Kerstin Lauterbach und MdL Nico Brünler, Ronald Pohle, CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages – ein Bild von der alltäglichen (man könnte auch sagen: beschämenden) Lage machen konnten, trug ein alleinerziehender Vater seine aktuelle Lage vor: er hat ein Kind im Kleinkindalter und einen unflexiblen Arbeitgeber.

Dieser hat ihm angeboten, statt in drei, in zwei Schichten zu arbeiten. Die zweite Schicht geht bis 22.00 Uhr – nicht wirklich kompatibel mit den Betreuungszeiten der Kitas. Verwandte und Großeltern gibt es nicht, die „einspringen“ können. Zudem muss der Mann mit seinem Kind ja auch finanziell über die Runden kommen – guter Rat ist teuer.

Politikergesichter spiegelten Ratlosigkeit wider

Auch die Politikergesichter im Podium spiegelten Ratlosigkeit wider. Kerstin Lauterbach (DIE LINKE) schlug zaghaft eine Tagesmutter vor, woraufhin Cornelia Weber, Leiterin Personal der GET AG (im Bild ganz links) – zu Recht – die Sache auf den Punkt brachte: der Mann braucht einen Job! Einen, von dem er leben UND mit dem er sein Familienleben in Einklang bringen kann.

Genau das ist es, was jedoch in einem Deutschland anno 2014 kaum möglich scheint!

Natürlich gibt es viele Debatten, Vorschläge und auch die Politik hat sich diesem Thema schon mehrfach gewidmet. Bislang aber ohne großen Erfolg. Deshalb ist es die Vision von Vereins-Geschäftsführerin Fischer, dass – resultierend aus dem Wirtschafts- und Sozialgespräch, dem zwei weitere Veranstaltungen folgen sollen – Handlungsanregungen erarbeitet werden, die als Empfehlungen Unternehmen „an die Hand gegeben“ werden. Zudem – und dafür kämpft der SHIA e.V. – sollen diese Punkte mittel- bis langfristig Eingang in entsprechende Gesetze finden.

Unternehmerin spricht über ihre familiengerechten Arbeitszeitmodelle

Dass bis dahin durchaus noch ein steiniger Weg in Kauf genommen werden muss, zeigte der weitere Verlauf des Abends. Als Ute Steglich (im Bild zweite von links), die mit ihrem bundesweit präsenten Franchise-Unternehmen „ASL“ sehr erfolgreich ist, das Wort ergriff, horchte man auf. Denn Steglich ist keine Frau, die hinterm Berg hält. Sie berichtete, dass familiengerechte Arbeitszeitmodelle zu gewähren auch was mit Mitarbeiterbindung zu tun hat. Und da sie Wert auf ein persönliches, langfristiges Mitarbeiter-Team legt, sind familiengerechte Arbeitszeitmodelle bei ihr gang und gäbe. Sie plädiert dafür, dass hier politisch was getan werden muss, damit familienorientierte Lösungen allen dienen: den Unternehmen und den Mitarbeitern.

Ihre Ansage an die Vertreter der Polit-Fraktion, aus deren Lagern ja stets der Hinweis auf die schwierige Finanzierbarkeit derlei Vorhaben kommt, war klar: „eine Drohne weniger und man wäre einen Schritt weiter zu einheitlichen Standards, bezüglich der Arbeitszeit-Thematik für Familien“. Auch der Ansatz des SHIA e.V. geht in diese Richtung. Beispielsweise wäre zu überlegen, eine Familienkasse einzuführen, damit Familien sich sowohl ihrem Nachwuchs als auch pflegebedürftigen Angehörigen – je nach Fall – widmen und dies mit ihrem Beruf in Einklang bringen können.

Personalleiterin stellt Modell ihres Unternehmens vor

Wie ein solcher Einklang aussieht, dass schilderte Cornelia Weber, die als Personalleiterin bei der GET AG tätig ist. Das sächsische Start-up ist seit vielen Jahren erfolgreich und dieser Erfolg wird an die Mitarbeiter weitergegeben. Massagen, kostenloses Obst und Wasser, sehr flexible Arbeitszeiten und auch Home-Office. Das sind nur einige Auszüge der Palette der Leistungen, die das familienfreundliche Unternehmen seinen Mitarbeitern zugute kommen lässt. Moderatorin Eva Brackelmann bezeichnete die Bedingungen der Firma denn auch als „Schlaraffenland“.

Dass freilich nicht jede Firma derlei gute (finanzielle) Bedingungen hat, bewiesen weitere Wortbeiträge der Gäste, unter denen vom mittelständischen Handwerksbetrieb bis zur Anwaltskanzlei verschiedene Berufsstände vertreten waren.

Auch das Modell, wie es seinerzeit in der DDR Standard war (Betriebskindergärten, Wochenkinderkrippen) wurde thematisiert. So mancher fand – zu Recht! – dass damals schon recht gute Bedingungen für berufstätige Familien gegeben waren.

Der Dialog kam also erwartungsgemäß in Schwung, was der Veranstaltung einen wohltuenden „Flow“ verlieh. Kurz und knackig kamen die Zielstellungen daher, die Diskussion war mitreißend und spannend.

Brunhild Fischer mit Workshop-Teilnehmern
Brunhild Fischer mit Workshop-Teilnehmern

Auch in den sich anschließenden drei Workshops wurde eifrig diskutiert, wurden Lösungsvorschläge prägnant und knapp zusammengefasst, und nach 30 Minuten den anderen Teilnehmern vorgestellt. Viele schilderten ihre persönliche Situation, ihre Schwierigkeiten hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Und das eben aus verschiedenen Sichtweisen: der Unternehmer schilderte die Dinge ebenso so wie der oder die Angestellte.

Viele Ergebnisse – erarbeitet von den Teilnehmern

Als Ergebnisse wurden u. a. erfasst: Heimarbeit (in den Berufen, wo das möglich ist), Arbeitszeitkonten / Lebenszeitkonten (“warum”, so fragte ein Teilnehmer, “kann das nicht gleich bei der Rentenkasse geführt werden?”), Flexibilität, kein Schichtdienst für Familien mit kleinen Kindern, mit pflegebedürftigen Angehörigen, eine existenzsichernde 25-Stunden-Woche und, und, und……Um darzustellen, wie allumfassend das Thema ist, veröffentliche ich hier zum Beitrag mal das Flipchart aus dem Workshop um Brunhild Fischer.

Familiengerechte Arbeitszeitmodelle, da muss noch einiges passieren!
Familiengerechte Arbeitszeitmodelle, da muss noch einiges passieren!

Alle Ergebnisse des Abends werden vom SHIA e.V. als  Handlungsempfehlungen für Unternehmen zusammengefasst. „Empfehlungen“ deshalb, weil – und das ist wichtig – es den SHIA-Leuten ein Anliegen ist, den Unternehmen nicht noch mehr Druck zu machen. Denn mit „ihr müsst, ihr müsst“ ist gar nichts gewonnen. Eher setzt man auf den Austausch und auch das Bewusstsein, dass ja irgendwo alle „Familie“ haben, egal in welcher Konstellation.

Aus dem Abend heraus gingen die Gäste mit dem sensibilisierten Gefühl, dass es richtig und wichtig ist, solche Dialoge auf den Weg zu bringen und in diese immer auch die Präsenz der Politiker einzufordern.

Apropos: so wirklich tolle Lösungsansätze hatte keiner der Politiker im Podium zu bieten. Wenn man gemein wäre, würde man sagen: „das übliche Bla, Bla….”

Ein Grund mehr, das Wirtschafts- und Sozialgespräch nächstes Jahr, 2015, in weiteren Städten durchzuführen. Man kann dem SHIA e.V. nur alle Daumen drücken, dass es dessen Vertretern tatsächlich gelingt, mittel- bis langfristig, entsprechende Gesetzgebungen – basierend auf den genannten Handlungsempfehlungen – auf den Weg zu bringen!

http://www.shia-sachsen.de/

Bildnachweis: Frauenpanorama.de

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