Die Emanzipation – ein Thema, das medial dauerpräsent und auch Gegenstand vieler – teilweise heftiger – Debatten ist. Aber wie steht es denn nun eigentlich um sie? Ist sie verfehlt? Oder vielleicht doch nicht? Iris de la Union hat hierzu ein Buch mit dem Titel “Mann – Weib, verfehlte Emanzipation der Frau?” geschrieben (im Bild) und wir haben sie dazu interviewt:

FP: Iris, wie sind Sie darauf gekommen, das Buch „Mann – Weib, verfehlte Emanzipation der Frau?“  zu schreiben?

Iris: Guten Tag – ich freue mich über das Interesse an meinem Buch.

Zu Ihrer ersten Frage:  Siebzigjährige Aufmerksamkeit und Beobachtung, was menschliches Verhalten anbetrifft, sind es wohl, die mich darauf brachten, mich nach der Ursache dieses komplexen Geschehens zu fragen, welches sich  mittlerweile eindeutig und für  jederman und frau ersichtlich als globales Fehlverhalten offenbart hat.

So machte ich mich auf die Suche nach einer Erklärung dieses Phänomens:  Weshalb leben wir Menschen, ob in Ost oder West, Nord oder Süd,  in einer Welt  des Ungleichgewichts mit seinen oft katastrophalen Konsequenzen, wie  Kriegen, Hungersnöten, Kriminalität und Terrorismus?

Das Ergebnis dieser Suche  veranlasste mich dazu, dieses niederzuschreiben. Daraus entstand  das Manuskript  ‚Mann-Weib, verfehlte Emanzipation der Frau?‘  welches nun in Buchform vorliegt.

FB: Ihr Buch ist Riane Eisler gewidmet, für deren Buch „Kelch & Schwert“ Sie sehr dankbar sind. Was genau ist die Aussage des Buches, die Sie so begeistert?

Iris:  Auszug aus der Widmung:

“Liebe RIANE EISLER, ‚…

Ja, liebe Riane, ich kann dir nur von ganzem Herzen danken für Dein Werk!

Was das bedeutet ist gar nicht zu ermessen! Denn Du hast dadurch die „Männerwelt“, das

Patriarchat, herausgefordert, Stellung zu beziehen.

Doch mir scheint, sie haben gekniffen…(?)

Trotz Deiner auf archäologischen, anthropologischen, mythologischen und sonstigen Forschungen

beruhenden Beweisführungen für die Existenz einer vorgeschichtlichen jahrtausendelang währenden

Zeit eines Matriarchats, in der die grosse Göttin präsent war  und Frieden und Harmonie zwischen den Menschen herrschte, haben sie deinen Aufruf nach Ausgleich zwar beachtet, doch nicht beherzigt.‘

…”

Um welche Beweisführungen es nun im Einzelnen geht, das wird in „Kelch & Schwert“ auf wissenschaftlicher Basis dargestellt.

FP: In Ihrem Werk kommen zu einem Großteil Mitglieder eines Internetforums zu Wort und tauschen sich zu allen Themen in Sachen (verfehlter) Emanzipation aus. Wie haben Sie die Diskussion erlebt?

Iris: Diese  Diskussion hat meinen Horizont insofern erweitert, als sie mich, die ich als Chilenin  im Süden des südlichsten Landes der Erde – Chile – lebe, und seit 1981 nicht mehr in Deutschland, bzw. Europa war,  über den heutigen Stand  in Sachen Feminismus, oder Emanzipation der Frau informiert hat. Dieses deutschsprachige gesellschaftsbezogene Forum nahm meinen Thread „Verfehlte Emanzipation der Frau?“ fast schon begierig auf.

Bereits nach einem Monat, im April 2016,  waren weit über 1000 Beiträge eingegangen, von denen ich die im Buch erschienenen auswählte. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wussten zu diesem Zeitpunkt nicht, dass ich Forschungsarbeit betrieb, und so kann davon ausgegangen werden, dass hier ‚von der Leber weg‘ kommuniziert wurde, mit den üblichen Meinungsverschiedenheiten, ist ja klar, speziell bei dieser provokativen Fragestellung nach einer eventuell verfehlten Emanzipation der Frau.

Also habe ich die Diskussion als Beobachterin erlebt, und dann und wann eine Weiche gestellt. Kurioserweise war es ein männlicher User, der den ersten Beitrag auf meine Einführung in das Thema lieferte:

“Mahina (Iris): Was macht es denn für einen Sinn, wenn trotz der Errungenschaften der weiblichen Emanzipation die Welt nicht besser geworden ist? Oder wurde das vielleicht überhaupt nicht angestrebt?

Recht mager, was am 8.März 2016 zum Frauentag gesagt wurde, oder etwa nicht? Geht es denn wirklich nur noch um gleiche Bezahlung bei gleicher Arbeit oder mehr Frauen in leitenden Stellungen? Bitte nicht falsch auffassen, ich frage aus echter Besorgnis.”

Jacques:”

  • Verfehlte Emanzipation ist vollkommen stichhaltig gewählt.

  • Emanzipation zeichnet sich „nicht“ dadurch aus, dass die Frau den Mann vom weltlichen Thron zu stürzen versucht.

  • Emanzipation ist urgründig ein Vorgang von Frau und Mann, „gemeinsam“ weg vom „Erwachsenensyndrom“ und hin zum Menschen zu gelangen.

  • Der „Gendereffekt“ wurde eingeführt, um die aufkommende Emanzipation erstens zu verhindern und zweitens, wo schon Früchte vorhanden waren, so umzulenken, dass das Emanzipierte verschwindet, sich also transformiert, auflöst.

  • Es herrscht seit längerer Zeit dieser Kampf zwischen Emanzipation und Genderismus.

Dein Beispiel von gleicher Bezahlung fällt in den Bereich Genderismus und hat nichts mit Emanzipation zu tun. Deine Sorge empfinde ich als bedeutend berechtigt.”

Iris:  Seltsam, dass auf diese fünf Punkte niemand eingegangen ist, denn es wäre der rechte Auftakt für meine Frage nach einer „verfehlten Emanzipation der Frau“  gewesen. Doch da ich mich ja zunächst über den Entwicklungsstand der aktuellen Frauenbewegung und ihren Anliegen informieren wollte, verzichtete ich auf eine Intervention meinerseits, und liess den Diskussionen um feministische Themenbereiche freien Lauf.

Erst im zweiten Teil von „MANN*WEIB“  geht es dann um die Beantwortung meiner Frage.

Zunächst jedoch  möchte ich klarstellen, dass  der erfolgreiche Kampf der Feministinnen um soziale Gleichstellung  der Geschlechter  notwendig war, um ein Gleichgewicht zwischen den beiden Polen des Menschen herzustellen. Denn nur auf der Basis dieses Gleichgewichtes könnte sich  eine Emanzipation des Menschen in seiner Ganzheit vollziehen.

FP: Die Forenmitglieder thematisieren nahezu alles, was im Zusammenhang mit der (verfehlten?) Gleichberechtigung der Frau steht: Karriere, Abtreibung, Schönheit, Sexualität. Diese User stehen stellvertretend für alle Frauen und Männer, die sich für diese Thematik interessieren. Aufgrund Ihrer Erfahrungen in dem Forum: was denken Sie, welches Thema in Sachen Gleichberechtigung/Nicht-Gleichberechtigung der Frau die Leute, die an einem Weiterkommen diesbezüglich interessiert sind, am meisten beschäftigt?

Iris: Das ist schwer zu bestimmen.  Alle angesprochenen Gebiete kamen eigentlich gleich stark an.

Sehr heiss ging es her in der Schwangerschaftsabbruch-Diskussion. Beim „gleichen Lohn für gleiche Arbeit“ waren sich alle einig.   Viele Frauen beklagten sich über die geringe Kooperation des Mannes bei den häuslichen Arbeiten und der Kinderbeaufsichtigung und Erziehung. Das Thema „nur Hausfrau“  wurde recht heftig ausgetragen.  Und natürlich  das „Zurückhinken‘“ der Frauen in Führungspositionen – vielleicht war es hintergründig das stärkste Anliegen der meisten Beteilgten.

FP: Wie sehen Sie Ihr bisheriges, eigenes Leben – war und ist es gleichberechtigt verlaufen?

Iris:   Denn „Gleichberechtigung“ war für mich nie ein Problem. Die Frauenbewegung hatte es in meiner Kindheit und Jugend ja schon soweit gebracht, dass Mädchen und Jungen die gleiche Erziehung genossen und bei Volljährigkeit ihr eigenes Schicksal in die Hand nehmen konnten.  Was ich auch tat, als ich nach dem chilenischen Abitur nach Deutschland kam um zu studieren.

Im Widerspruch zu dieser Gleichberechtigung im Zusammenhang mit Rechten und Pflichten stand jedoch nach wie vor das weiterbestehende Patriarchat. Denn die Feministinnen waren nun zwar gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft, doch WER bestimmte letztlich doch noch in diesem  hierarchischem System?  Wie gehabt…auch wenn da ein paar eiserne Ladies wie Schatten herumfuchteln, es blieb dabei – wer bestimmt, war und ist der patriarchale Mann.

FP: Was ist für Sie persönlich die größte Herausforderung in Sachen der Gleichberechtigung?

Iris: Nun wird es ernst und wir nähern uns dem Sinn des Ganzen.   Es gibt da keine Abstufungen, es gibt nur  EINE   Herausforderung  fïch mich:  die auf Grund der Frauenbewegung von Männern arrangierte ‚Gleichberechtigung‘, die  einen der beiden Pole stärkt, nämlich den des Mann-Menschen, beherbergt  keine  Gleichwertigkeit zwischen Mann und Frau, sondern weiterhin die, wenn auch verkappte Dominanz der männlichen Hierarchie.  Solange sich nicht beide Pole gleichwertig gegenüberstehen, kann kein Gleichgewicht eintreten.  Die Feministin hat nicht erkannt, dass sie nun eifrig am ungleichgewichtigen patriarchalen System mitarbeitet und ihren eigenen Pol verwaist zurückgelassen hat.  Nun geht es doppelt so schnell mit dem Niedergang von ethischen Werten und Ästhetik  und somit dem der Nächstenliebe und Schönheit.

FP: Was sind – Ihrer Meinung nach – die größten Hindernisse, mit denen Frauen aktuell in diesem Zusammenhang kämpfen?

Iris: In dem von mir gemeinten Zusammenhang kämpfen sie ja gar nicht.  Ihr Kampf bezieht sich weiterhin um die im Forum umstrittenen Fragen, die der Ablenkung vom eigentlichen Ziel:  Der Abschaffung des Patriarchats.

Deshalb sehe ich die grössten Hindernisse, die sich einem partnerschaftlichen Verhältnis auf Augenhöhe zwischen den Geschlechtern entgegenstellt in der Blindheit der Frau, ihrem Materialismus und Mangel an Bewusstsein, ihrer seelischen Anämie und ihrem Minderwertigkeitskomplex, dem Manne gegenüber der tief im Innern noch immer gärt, und  willige Helferinnen der Männerwelt fabriziert, die es ihm gleichtun möchten,  und ihre Muskeln trainieren. So lässt der patriarchale Mann, der weiterhin dominiert, auch weiterhin die Puppen tanzen, und seine Seele verkommt zu einem Schatten, der vergeblich auf Erlösung hofft. Denn die Frau, die ihn erlösen könnte, die gibt es nur im Märchen vom Froschkönig. Diese Frau hat ihre Seele dem Ungeist des Patriarchates geopfert, und das, ohne es zu bemerken.  Dafür wird sie nun als „Mannweib“ abgestempelt.

Der Titel meines Buches bezieht sich allerdings nicht auf diesen recht verächtlichen Ausdruck für Frauen, die es den Männern gleich tun wollen. Ich habe das Wort „WEIB“ , gewählt, weil es ursprünglich für „Frau“ verwandt wurde – man denke an Mozarts Zauberflöte:

Mann und Weib – Weib und Mann, reichen an den Himmel an.

FP: In welchem Land sehen Sie die Gleichberechtigung der Frau am weitesten fortgeschritten?

Iris: Die für meine Ansicht scheinbare ‚Gleichberechtigung‘ ist wohl  in den westeuropäischen Ländern und den USA  am weitesten fortgeschritten. Doch fehlt mir da der rechte Überblick.

FP: Welche Botschaft möchten Sie an Ihre Leserinnen und Leser senden?

Iris: Welche Botschaft könnte ich noch an meine Mitmenschen senden, die nicht schon in den verschiedensten „Heiligen Schriften“ stehen,  in Platons Höhlengleichnis, oder im Tao te King?

Nicht zu vergessen das Delphische Orakel mit seinem:

MENSCH, erkenne dich selbst.

Was aber vielleicht noch niemand so deutlich ausgesprochen hat:   Es liegt an uns Frauen, was aus unserem Planeten und aus der Menschheit wird. Wenn wir uns nicht im Sinne einer ganzheitlichen MENSCHWERDUNG emanzipieren, wer dann? Der patriarchale  Mann wird immer so weiter machen wie bisher, in seiner Natur ist Zerstörung angelegt scheint mir – die Geschichte beweist es.  So sollten wir unsere geschlechtliche Gleichstellung tatsächlich realisieren, indem wir nun eine Kehrtwendung vollziehen, und zu unserem eigenen weiblichen Pol zurückkehren und von dieser neuen Position aus in das Weltgeschehen aktiv eingreifen bevor es zu spät ist.

Nebenbei bemerkt, ich nehme an, dass die meisten Männer inzwischen auch schon gemerkt haben, dass da etwas nicht stimmt im Gefüge…doch sie können dem Patriarchat nicht entkommen, weil seine Gesetze das nicht zulassen.

FB: Wie geht es bei Ihnen und mit Ihrem Engagement weiter? Ist ein weiteres Buch in Planung oder stehen Projekte im Zusammenhang mit dem Thema Gleichberechtigung an?

Iris: Mein Wunsch ist es, das Buch  ins Spanische zu übersetzen. Bin schon dabei. Den hiesigen Frauen ist die Gleichberechtigung ja sozusagen in den Schoss gefallen – sie mussten für sie nicht kämpfen wie die ersten Feministinnen in Europa und den USA. So haben sie sich bei den Männern nicht unbeliebt gemacht.  Sie haben in ihrer Naivität alles, was aus Europa kam, übernommen, ohne es zu hinterfragen, ob es nun um die neue Kleidermode ging, oder um die Errungenschaften der Frauenbewegung.

Doch eine eigene Frauenbewegung in Chile und ganz Lateinamerika ist in letzter Zeit sehr stark geworden. Frauen gehen auf die Strasse, um gegen den Machismo zu demonstrieren, gegen die körperliche Gewalt, der sie ausgeliefert sind, gegen all das, wofür europäische Frauen schon früher gekämpft haben.  Und dabei begehen sie nun auch denselben Fehler: sie unterstützen das System unter dem sie leiden. Ist zwar paradox, doch das können sie nicht erkennen.  Ich hätte sie gern unter den Leserinnen von „HOMBRE*MUJER“, damit sie sich rechtzeitig darauf besinnen, einen anderen Weg einzuschlagen, als ihre Geschlechtsgenossinnen aus der so bewunderten „ersten Welt“.

Mein Buch könnte sie dazu anregen, selbst auf Gewalt zu verzichten, statt sich auf eine solche vorzubereiten, indem sie Soldatinnen werden, die dann  irgendwann zum Einsatz kämen, um  z.B. als Kampffliegerinnen Bomben auf andere Mütter und ihre Kinder abzuwerfen. Und dafür stolz eine Auszeichnung  erhalten, womöglich von einer Generälin, die den Befehl erteilt hat, und die selbst nichts anderes ist als ein unbewusstes Opfer des Patriarchats.

Bezugsquelle Buch: hier.

Bildnachweis:

vindobonaverlag

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