Ein Gastbeitrag von Jeannie Miller.

Erst kürzlich las ich einen Artikel über die neuesten Studien zur Durchschnittsforschung. Ja, das gibt es tatsächlich: „Durchschnittsforschung“. Während des Lesens stellte sich heraus: Ich bin Durchschnitt. So was von. Und doch wieder nicht.

Der Durchschnittsbürger geht täglich zu Bett. Wahnsinn- das tue ich auch!

Außerdem fahre ich ein Auto in der derzeit angesagten (durchschnittlich beliebtesten) Farbe gehe in regelmäßigen Intervallen zum Friseur wo ich mir eine Durchschnitts-Frisur verpassen lasse, und die ich mit meinem Durchschnittsgehalt bezahle, sehe täglich ca. 2 Stunden fern und gebe so und so viel pro Monat für Lebensmittel aus.

Andererseits mag ich nicht: Gartenzwerge (Entschuldigung), Brokkoli, den „Musikantenstadel“, Professor Brinkmann (den ganz besonders nicht), Hochzeiten mit Brautraub, Bierzelte, sinnlose Konversation am Gartenzaun, gemusterte Tapeten, Marschmusik, lauwarme Klobrillen, diese blöden Fäden an den Bohnen, dass einem das Zigarettenpapierchen immer an der Haut kleben bleibt, penetrante Fernsehwerbung und und und…

Die Liste der Dinge, die ich nicht mag, ist länger als die Aufzählung gebrochenerVersprechen der Merkel-Regierung.

Mit mir wird es keine Erhöhung der Durchschnittsquote geben. Basta.

Weitere interessante Erkenntnisse über mich als typische Durchschnitts-Frau:

Ich esse angeblich im Laufe eines Jahres 42,9 Kilogramm Obst und 31 (!!) Kilo Süßigkeiten, trinke zehn Liter reinen Alkohol, spende 120 Euro jährlich für wohltätige Zwecke und besitze 20 Unterhosen. Studien zufolge gibt es Millionen Menschen wie mich in Deutschland. Ich wechsle täglich meine Socken, putze mir zweimal am Tag die Zähne, gehe einmal pro Monat in ein Restaurant, streite im Urlaub doppelt so viel wie zuhause und habe Respekt vor Ärzten.

So ein Schmarrn.

Erstens mag ich kein Obst – davon krieg ich Bauchweh. Ich trinke überhaupt keinen Alkohol, also säuft irgendeiner in Deutschland die 10 Liter für mich mit. In Urlaub fahre ich am liebsten allein, mit wem sollte ich also streiten? Mit dem Kellner? Naja. Ok.

Respekt vor Ärzten habe ich seit dem Moment verloren, als der Herr mit den 2 Doktortiteln versuchte, mich zu begrapschen. Mit Mitte 70!

Und was die 31 Kilogramm Süßigkeiten betrifft: Das sind allerdings nur 8,49 Gramm täglich – mann, habe ich einen guten Stoffwechsel. Wenn ich das alles wirklich esse,  muss ich wohl bald den Stoff wechseln. Den Kleiderstoff, weil ich in nichts mehr reinpasse. Das sind dann durchschnittliche Stoffwechselprobleme.

Andererseits: Der Paul aus unserem Verein wiegt mittlerweile um die 170 Kilo. Der hat vermutlich meine Ration mit verdrückt.

Übrigens habe ich aufgehört, in Euro für wohltätige Zwecke zu spenden, und schon gar nicht 120 jährlich. Bettler, die an meiner Haustür klopfen, bekommen meistens Nudeln. Die können sie wenigstens nicht versaufen.

Ich besitze definitiv mehr als 20 Paar „Unterhosen“ und bezeichne sie auch nicht als solche. Meine verehrte Frau Mutter trägt „Unterhosen“, in denen eine Pfadfindertruppe Platz fände. Ich trage Slips.

Studien sind was Interessantes. Familie Mustermann möchte ich nicht einmal kennenlernen, wenn ich dafür bezahlt würde. Diese Erika Mustermann ist so was von nichtssagend und farblos, dass sogar Angela Merkel im Vergleich dazu förmlich vor Charme sprüht. Und Herr Max Mustermann trägt garantiert Feinripp und Socken zu Sandalen oder Leoparden-Bikinislips.

Liebe Familie Mustermann: Wenn SIE symptomatisch für das gesichtslose Heer der anonymen Masse in Deutschland stehen, dann wandere ich aus. Die Menschen, die ICH kenne, sind exaltiert, kreativ, zum Teil ein bisschen geistesgestört (doch, ehrlich…) und wirklich witzig. Bestünde meine Welt nur aus Mustermanns, dann würde ich mich auf der Stelle erschießen, zur Not mit einer Nagelpistole.

Die Mustermanns haben vermutlich bis heute noch nicht mal falsch geparkt oder ihre Steuererklärung einen Tag zu spät eingereicht, zahlen GEZ, ohne zu denken „Was soll der Scheiß?“, finden alle aus der Regierung klasse und haben einen Hausaltar mit dem Bild von Angela Merkel.

Also, liebe Familie Mustermann, besuchen Sie lieber meine Nachbarin, die lustige Witwe. Sie liebt die CDU, ausgedehnte Kirchgänge, wechselt mit Sicherheit ihre Socken stündlich und kocht eine Rindsroulade, dass Sie danach mit Sicherheit ihre für dieses Jahr durchschnittlich vorgesehene Menge an Magentropfen auf einmal nehmen müssen.

Liebe Familie Mustermann Für euch ganz allein haben dürft ihr außerdem: Gender-Mainstreaming, Gender-Paygap, ach eigentlich alles mit dem Wort „Gender“ vornedran, diesen komischen Schauspieler, der immer so nuschelt, und dem die Haare ausgehen, 80 % aller „Tatort“-Folgen, überbezahlte Kicker, Privatfernsehen mit Schmuddelformaten, alle Dschungel/Wüsten/sonstigen Camps, Hashtags, die neue „Bewegungen“ symbolisieren, sämtliche Blockparteien, die Rechtschreibreform, Pisastudien, euphorische Arbeitslosenzahlen, alle Sorten von Quoten  und Inklusion. Jawohl.

Ich lebe weiterhin außerhalb des landesspezifischen Humankapital-Durchschnitts schnöde vor mich hin. Mustermanns: Ihr habt Recht und ich meine Ruhe, wie wir hier bei uns so sagen.

Übrigens: Das Jahr ist wieder rum. Kommt der Säufer bitte vorbei, um meine Ration der 10 Liter reinen Alkohols abzuholen? Bitte zweimal klingeln. Die 31 Kilo Süßigkeiten kann er dann auch gleich mitnehmen. Oder ich gebe sie meiner Nachbarin. Bei der hat sich nämlich Zähneputzen erledigt.

So. Nun wisst ihr es. Ich bin der Mainstream. Jeannie Mustermann. Leichter hätte ich es so auf jeden Fall.

Jetzt mache ich mich an die 42,9 Kilo Obst und werde aus subversiven Gründen 43,8 Kilo verdrücken. Nur so aus Trotz.

Liebe Erika, lieber Max: Leckt mich doch.

Bildnachweis: pexels.com

 

 

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