Vier Kinder, Mann und eben der Alltag – das Leben von Iris Hell ist wahrlich nicht langweilig! Und es will adäquat organisiert sein. Das allerdings ist keine allzu große Herausforderung für die Frau aus Bayern – kennt sie doch diszipliniert strukturierte Tage noch aus den Zeiten, in denen sie als Rechtsanwältin arbeitete. Heute empfindet die Vierfachmutter ihr Leben als turbulenter und bunter.
Viele Facetten daraus hält sie fest – in Büchern und auf ihrem Blog im Internet. Seit ihrem ersten Buch “Kleckerlätzchen für Anfänger” kann Iris Hell auf eine treue Leserschar verweisen, die Erlebnisse aus ihrem täglichen Leben kommen an. Im Interview spricht sie über ihren Familienalltag, Stutenbissigkeit unter Müttern und wie sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die ständigen Diskussionen über die Mutterrolle wahrnimmt.
FP: Iris, Du hast Jura studiert, Dich im Beruf fest etabliert, dann kamen irgendwann die Kinder. Wie gestaltet sich für Dich das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf?
IH: Die Frage beschäftigt mich seit Jahren und mittlerweile könnte ich einen Roman hierzu schreiben.
Bevor ich Mutter wurde, habe ich als Rechtsanwältin in einer Kanzlei und in einem Unternehmen gearbeitet. 50-Stundenwochen oder mehr waren zumindest zu Kanzleizeiten keine Seltenheit.
Nach der Geburt meiner ersten Tochter bin ich in meinen Beruf als Unternehmensjuristin zurückgekehrt, diesmal in Teilzeit. Eine Vollzeitbeschäftigung im genannten Umfang wäre für mich nicht in Frage gekommen. Wozu habe ich mein Kind bekommen, wenn sich überwiegend Fremde darum gekümmert hätten?
Mit zwanzig Arbeitsstunden pro Woche waren Job und Familie im Prinzip gut zu vereinbaren, wobei sich die täglichen Herausforderungen mal besser mal schlechter meistern ließen. Jede arbeitende Mutter weiß, was es bedeutet, einem Beruf nachzugehen und sich gleichzeitig um die Familie zu kümmern. Natürlich packen mein Mann und ich die Dinge gemeinsam an und auch er hat sich von der Arbeit freigeschaufelt, um z. B. unsere kranke Tochter zu betreuen. Da er aber als Hauptverdiener der Familie geschäftlich stark eingespannt war und ist, war zwischen uns immer klar, dass ich bei der Kinderbetreuung überwiegend in die Bresche springen würde.
Das war für mich nie ein Problem, obwohl ich durch die Entscheidung, in Teilzeit zu arbeiten, beruflich das Nachsehen hatte: mangelnde Anerkennung der „Teilzeitmutti“ durch Kollegen, schlechtere Bezahlung, uninteressante Aufgaben, die sonst keiner erledigen mochte.
Im Freundeskreis habe ich Ähnliches beobachtet: Hochqualifizierte Frauen wurden nach der Elternzeit degradiert, die Chefposition wurde entzogen oder die Kündigung flatterte ins Haus, weil mit Kind angeblich die erforderliche Leistung nicht mehr optimal erbracht werden konnte.
Um die eingangs gestellte Frage zu beantworten: Ist Familie mit Beruf vereinbar? Grundsätzlich ja, wenn jemand – meist die Mutter – bereit ist, Abstriche zu machen, entweder in beruflicher Hinsicht oder eben derart, dass die Kinder überwiegend fremdbetreut werden.
Zurück zu mir: Nach dem Jahr in Teilzeit wurde meine zweite Tochter geboren. Ursprünglich hatte ich geplant, nach eineinhalb Jahren Elternzeit zurückzukehren, doch zu diesem Zeitpunkt war ich mit unseren Zwillingsmädchen schwanger.
Der Spagat zwischen Beruf und Familie wäre für mich zu groß gewesen: einerseits eine anspruchsvolle Tätigkeit als Juristin, die ich gedanklich oft mit nach Hause genommen habe, andererseits zwei kleine Kinder im Alter von drei und nicht mal zwei Jahren und obendrauf die Zwillingsschwangerschaft mit diversen Zipperlein.
Deshalb verlängerte ich die bestehende Elternzeit. Die Option, an meine alte Stelle zurückzukehren, blieb zunächst erhalten. Da ich aber gedanklich nicht still sitzen kann, habe ich dann unter anderem ein BWL-Studium an einer Fernuni absolviert.
Mit vier Kindern war schnell absehbar, dass sich meine kleine Großfamilie mit ihren unterschiedlichen und individuellen Bedürfnissen nicht in das Korsett einer abhängigen Beschäftigung zwängen ließ und lässt, weshalb ich – vorerst? – dem Angestelltenleben den Rücken gekehrt habe.
Natürlich möchte ich meine fachlichen Fähigkeiten wieder einsetzen. Wozu habe ich schließlich zwei Studienabschlüsse? Derzeit befinde ich mich in der Orientierungsphase, auf der Suche nach einer passenden, wohl selbständigen bzw. freiberuflichen, Tätigkeit.
FP: Im Gegensatz zu früher hat sich Dein alltägliches Leben komplett gedreht – das kann man sicher so sagen, oder?! Wo muss straffer organisiert werden – im Job als Rechtsanwältin oder im Alltag mit vier Kindern, Mann und Haushalt?
IH: Dass sich durch die Kinder vieles komplett verändert hat, kann man wohl sagen. Im Vergleich zu früher ist mein Leben turbulenter, unplanbarer und bunter. Seit ich meine Töchter habe, fühle ich mich vollständig.
Der Job als Rechtsanwältin erfordert natürlich ein straffes Maß an Organisation. Viele, teils ähnliche, teils unterschiedliche Aufgaben wollen und müssen täglich, fristgerecht erledigt werden: Mandantengespräche, Aktenbearbeitung, Gerichtstermine.
Auch heute muss ich viel organisieren. Ich würde sagen, der Anwaltsberuf hat mich gut auf mein heutiges Leben vorbereitet.
Die erforderliche Organisation dürfte sich in etwa die Waage halten. In beiden Welten gibt es Unaufschiebbares und Dinge, die auch mal warten können, wie nicht fristgebundene Angelegenheiten oder ein Berg Wäsche. Hingegen muss ein Gerichtstermin zur anberaumten Zeit wahrgenommen werden und ein akut krankes Kind muss sofort zum Arzt.
Der Unterschied besteht darin, dass ich als Rechtsanwältin abends die Bürotür hinter mir geschlossen habe. Das geht heute nicht mehr, da einen der Job als Mutter rund um die Uhr fordern kann.
FP: Stört es Dich, wenn in den Medien oder auch durch andere Leute die Rede davon ist, dass Mütter ja „nur daheim“ sind? Wie (stark) nimmst Du solche Diskussionen wahr?
IH: Natürlich nehme ich solche Diskussionen wahr und das angeführte Zitat ärgert mich ungemein, zumal es meist einen abwertenden Klang hat. Konstruktive Diskussion ist in Ordnung, platte Sprüche sind es nicht.
Derartige Behauptungen sind verletzend und schlichtweg falsch. Erstens arbeiten viele Mütter, zweitens sind auch diejenigen, die – vorübergehend – nicht arbeiten, nicht „nur daheim“.
Nach meiner Erfahrung stammen solche lapidaren Pauschalaussagen oft von kinderlosen Männern und Frauen, die schlichtweg keinen blassen Schimmer davon haben, wie intensiv – im Positiven wie im Negativen – sich ein Familienleben mit Kindern gestalten kann. Dass es sich hierbei um permanenten Bereitschaftsdienst -24/7 – handelt, kann man vielleicht erst nachvollziehen, wenn man es selbst erlebt hat.
Die Steigerung des Zitats, nämlich dass manche Mütter angeblich „nur faul daheim“ sind, habe ich aber auch schon von Frauen vernommen, die selbst Kinder haben. Unter Müttern mangelt es gelegentlich an Solidarität. Seitenhiebe und Sticheleien, anders ausgedrückt Stutenbissigkeit, sind leider keine Seltenheit.
Sehr oft wurde mir in den vergangenen Jahren die Frage gestellt: „Was machst du eigentlich die ganze Zeit?“ Eingangs habe ich erwähnt, dass ich früher sehr viel Zeit im Büro verbracht habe. Wenn ich heute als „bloße“ Hausfrau und Mutter antworte: „Ich habe noch nie so hart gearbeitet wie jetzt“, werde ich gerne belächelt oder ernte geringschätzige Kommentare wie: „Wenn du das Arbeit nennst!“
Ja, „das“ nenne ich Arbeit. Was soll es sonst sein? Zeitlich entspricht meine Tätigkeit vier Vollzeitjobs – unbezahlt und gesellschaftlich leider immer noch nicht besonders geschätzt.
Was mache ich die ganze Zeit? Ich umsorge eine Familie mit vier Kindern und einem Ehemann, versuche, die unterschiedlichen Bedürfnisse und Interessen unter einen zu Hut bringen, stemme den ganzen Haushaltskram, der gern als läppisch bezeichnet wird. Wenn ich es überschlage, wie oft ich in den vergangenen neun Jahren allein gewickelt habe, komme ich auf 25.000 Mal.
Was mache ich noch? Ich habe zwei Romane geschrieben, eine Fortbildung und ein BWL-Studium mit Erfolg absolviert – mit vier kleinen Kindern. Freiwillig und weil es mir unglaublich Spaß gemacht hat. Ich erinnere mich an eine Situation zu Beginn des Fernstudiums: Die Zwillinge, ein paar Monate alt, saßen in ihren Babywippen unter dem großen Küchentisch, auf dem ich mich mit Grundzügen der Finanzmathematik beschäftigte. Zur Beruhigung der zwei hielt ich mit beiden Beinen gleichzeitig die Wippen in Bewegung. Mann, hatte ich einen Muskelkater und war ungemein glücklich.
Liebe Kritiker von Hausfrauen/Müttern, macht das erst mal nach und dann reden wir weiter. Wie gerne würde ich Euch zumindest eine Woche meinen Alltag durchleben lassen. Das Fazit würde mich sehr interessieren.
FP: Du schreibst zu Mama-, Baby- und Familienthemen und hast unter anderem das Buch „Kleckerlätzchen für Anfänger“ herausgebracht. Hier wird der Alltag mit kleinen Kindern humorvoll wiedergegeben. Das kommt an bei der Leserschar, was man am Erfolg Deiner Bücher sieht. Wie kam es dazu, dass Du Dich dem Schreiben gewidmet hast?
Seit ich zusammenhängende Sätze zu Papier bringen kann, war das Tagebuch mein wichtigster Vertrauter. Mit Anfang zwanzig kamen fiktive Geschichten hinzu. Die Idee, einen Roman zu verfassen und den Schritt der Veröffentlichung zu wagen, schwirrte schon einige Zeit in meinem Kopf.
Anstoß für mein erstes Buch (zunächst als „Hallo Lil“ erschienen“), jetzt „Kleckerlätzchen für Anfänger“ (siehe Bild oben), gab eine an sich ärgerliche Situation:
Etwa ein halbes Jahr nach der Geburt meiner ersten Tochter waren eine Freundin und ich mit unseren Babys unterwegs. Übermüdet, hormongesteuert, höchstempfindlich hatten wir uns durchgerungen, mit Kind und Kegel ein Café zu betreten. Die Frage, ob wir uns dazu setzen dürften, verneinte die Zeitung lesende Dame. Eines der Kleinen hatte angefangen, zu weinen. Das störte. Geknickt zogen wir von dannen. Zu Hause schrieb ich das Erlebte auf. Je mehr ich schrieb, umso mehr Wörter, Sätze, Absätze und schließlich Kapitel wollten aus meinem Kopf heraus. Glücklicherweise gesellte sich zu der einen negativen Erfahrung deutlich mehr Positives, so dass „Kleckerlätzchen für Anfänger“ eine hoffentlich humorvolle, selbstironische Darstellung der ersten Schritte als Schwangere und junge Mutter geworden ist.
FP: Neben Deinen Büchern gibt es von Dir auch einen Blog, der sich ebenso dem Mama-Alltag widmet – wie bindest Du das Schreiben in Dein Leben ein, gibt’s feste Zeiten oder bist Du eher dann am Werk, wenn Du spontan inspiriert wirst?
Der Blog ist Anfang 2017 entstanden (http://irishell.de/blog/). Bis nachmittags sind meine Töchter in Schule und Kindergarten. Das gibt mir Zeit, mich in Ruhe an den Schreibtisch zu setzen, wenn nichts anderes ansteht. Die Zeit muss ich mir aber nehmen, denn würde ich das nicht, könnte ich mich endlos im Haushalt und Garten austoben. Wenn ich z.B. an einem Roman schreibe, arbeite ich mehrere Stunden am Stück konzentriert daran.
Sobald ich meine Kinder nachmittags abgeholt habe, bleibt meist keine Zeit mehr zum Schreiben. Spontane Gedankenblitze, die mir dank meiner vier Kreativlinge permanent geschenkt werden, schreibe ich sofort auf, denn andernfalls verflüchtigen sie sich wieder.
FP: Wo und wie kommen Dir die Ideen zu den Episoden aus Deinem Alltag, an denen Du Deine Leserschaft teilhaben lässt?
Wie Du es selbst formulierst: Die Ideen entspringen dem Alltag. Es vergeht kein Tag, an dem mir nicht ein Bild, ein Spruch, eine Idee vor die Füße purzelt, das/den/die ich festhalten möchte. Ob ich möchte oder nicht: Mein Kopf arbeitet fast permanent daran, Ideen und Worte in eine Form – Bild oder Text – zu gießen. Ein Besuch beim Zahnarzt oder eine Einkaufstour kann in Begleitung von vier Kindern schnell zum schweißtreibenden Event werden, das sich aus meiner Sicht lohnt, festgehalten zu werden.
FP: Durch Deine Bücher und den Blog kommst Du ja auch mit vielen anderen Müttern in Kontakt und hast Einblick in diesen Kosmos. Was bewegt diese Mamas am meisten – gibt es eine Art übergeordnetes Thema, das immer wieder zur Sprache kommt?
Im Laufe der vergangenen neun Jahre als Mutter sind mir mit steter Regelmäßigkeit dieselben Themen über den Weg gelaufen: erste Sorgen der frisch gebackenen Mutter, Stillprobleme, Konkurrenz in Bezug auf die Entwicklung der Kinder, Probleme mit dem Partner, fehlende Kita-Plätze.
Als übergeordnetes Thema taucht immer wieder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf. Wie gesagt vorrangig bei Frauen, obwohl die Gleichberechtigung bei uns doch eigentlich hoch gehalten wird. Egal für welche Variante sich eine Frau entscheidet – nur Kind, nur Karriere, Kind und Karriere: In der Regel wird die Betroffene von einem schlechten Gewissen geplagt, weil sie meint, eigenen oder fremden Ansprüchen nicht gerecht zu werden oder weil sie von anderen für die jeweilige Entscheidung kritisiert wird. Auffallend ist, dass es bei jeder Variante Kritiker gibt. Viele Mütter sind hin- und hergerissen zwischen dem Arbeits- und dem Familienleben, stets begleitet von dem Gefühl, es keinem wirklich recht machen zu können. Das Bild des Hamsters im Rad, der läuft und läuft und dennoch nie ankommt, trifft sie Situation ganz gut.
FP: Wie sieht ein typischer Wochentag in eurem Familienalltag aus?
Ich nehme an wie bei vielen anderen Familien. Je nach Laune der Kinder gestaltet sich der morgendliche Ablauf mehr oder weniger stressig. Ist das angebotene Frühstück das gewünschte? Habe ich die richtige Brotzeit eingepackt? Passt die sommerliche Garderobe zum Wetter? Bei vier Töchtern in der Vor- und Zahnlückenpubertät sowie nach wie vor im Trotzalter sind das durchaus berechtigte Fragen. Allein die morgendliche Prozedur zu Hause und der Weg in den Kindergarten haben schon Stoff für meinen Blog geboten.
Sind meine Kinder in ihren Einrichtungen und ist mein Mann zur Arbeit aufgebrochen, mache ich zu Hause klar Schiff. Je nachdem was ansteht, setze ich mich an den Computer, kümmere mich um die Wäsche, wovon wir Unmengen haben, mähe Rasen, mache Sport, kaufe ein.
Nachmittags stehen je nach Wochentag unterschiedliche Termine an, Treffen mit Freundinnen meiner Töchter, Arztbesuche, Sport der Kinder oder wir bleiben gemütlich zu Hause. Wenn ich möchte, dass die Kinder zeitig im Bett sind, muss das Essen spätestens um 18.30 Uhr auf dem Tisch stehen. Nachdem die Kinder ins gegangen Bett sind, was sich gewöhnlich über einen längeren Zeitraum hinzieht, räume ich auf, koche vielleicht noch etwas für meinen Mann und mich. Wir unterhalten uns über den Tag, der dann auch schon wieder rum ist. Und am nächsten Tag dreht sich das Hamsterrad aufs Neue.
FP: Wie entspannst Du Dich – gibt es neben dem Schreiben Hobbys, denen Du Dich widmen kannst?
Das Schreiben entspannt ungemein. Auch beim Lesen kann ich sehr gut Ruhe finden.
Als körperlichen Ausgleich mache ich Sport: Radfahren, Tanzen, Schwimmen, Yoga, je nachdem wie oft ich dazu komme. Im Radfahren habe ich für mich einen Sport entdeckt, den ich ohne großen Zeitaufwand in den Alltag integrieren kann.
FP: Wie schaut es mit einem neuen Buch aus – gibt es Pläne, kannst Du schon etwas verraten?
Die Fortsetzung liegt bereits fertig auf meinem Computer – Kleckerlätzchen für Fortgeschrittene. Ein paar Schritte bis zur Veröffentlichung sind noch zu gehen; Cover, Korrektur und Satz stehen noch aus. Mein Ziel ist ein Erscheinen Ende 2017. Mal sehen, ob ich das schaffe.
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