krSich jünger fühlen als man ist – nie war dieses Gefühl präsenter, als derzeit bei Menschen ab 60plus. Was früher eher als Floskel daherkam („man ist so jung wie man sich fühlt“) ist bei den Leuten  der heutigen “60plus”-Generation einfach ein authentisches Lebensgefühl. Die wenigsten fühlen sich als „Senior/in“ oder empfinden sich gar als alt.

So auch Karin Austmeyer. Die lebenslustige Frau, im Club der „über-60jährigen“ angekommen, ärgerte sich maßlos, als ihr bereits ab 50 auf Facebook & Co. Werbung für Inkontinenz-Windeln und Seniorentreffs angezeigt wurde.

Dem Alter mit Lebenslust begegnen!

Waren das doch so überhaupt keine Produkte, die sie interessierten oder für sie infrage kamen. Also gestaltete sie kurzerhand einen Blog für Leute ab 60 und versah diesen mit dem Zusatz ihrer Lebensphilosophie: „Sechzig – na und?!“. Wir haben mit der lebenslustigen Powerfrau gesprochen:

FP: Du führst im Internet ein Magazin für Frauen um die 60, sweetsixty, – wie kam es zu der Idee?

KA: mit der Idee bin ich schon längere Zeit “schwanger” gegangen. Etwa ab Anfang 50 bekam ich – vor allem bei Facebook -, Einblendungen für Seniorentreffs, für Slipeinlagen für Inkontinente u.ä. Das ärgerte mich maßlos.

Fragwürdiges Bild der Gesellschaft für Leute ab 60

Auch das Bild in der Gesellschaft ist sechzig = alt.

Gegen diesen Schwachsinn und gegen jede Menge Vorurteile wollte ich gerne ankämpfen.
Leider blieb es bei dem Vorsatz, da mir irgendwie immer die Zeit fehlte. Du weißt ja, selbstständig heißt: “selbst und ständig” und dieses “ständig” stimmt. Ende Februar diesen Jahres habe ich nun meinen Blog in Angriff genommen und versuche mir, so oft es geht, die Zeit dafür zu nehmen.

FP: Heute wirken viele Leute um die 60 viel jünger und vitaler, als man das noch vor einigen Jahren – meist im Familienkreis – erlebte. Denkst Du, dass die Gesellschaft darauf schon eingerichtet ist?

KA: Nein, die Welt hat sich den neuen Bedingungen noch nicht wirklich angepasst. Jung sein = faltenfrei und gebärfähig, alt sein = faltig, hinfällig und auf den Tod wartend.
So ist es aber nicht. Ein Großteil der Frauen in meinem Alter ist topfit und wir können der Gesellschaft durchaus nützlich und eine Bereicherung sein, wenn man uns lässt.

FP: Kürzlich las ich im SPIEGEL eine große Reportage über den demografischen Wandel hier in Deutschland. Darin hieß es u. a. sinngemäß, dass es früher so war, dass man sein Arbeitsleben hatte, dann die Rente und oft schon mit Ende 60, Anfang 70 das Zeitliche segnete. Darauf wurde eben auch das – zukünftig wohl katastrophale – Rentensystem aufgebaut. Heute dagegen legen die fitten Senioren in diesem Alter noch mal richtig los und haben immer öfter noch einige Jahrzehnte, statt nur Jahre, vor sich.

KA: Es gibt noch viel zu tun und hier ist die Politik mehr als gefordert.

Eine Menge Erfahrung zum Weitergeben

FP: Was ist das Besondere an Menschen um die 60?

KA: Wir haben einen Großteil Leben gelebt. Haben viel Erfahrung und sind jung genug, diese an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben.

FP: Wie hast Du selbst Dich gefühlt, als Du im Club der „60-jährigen“ angekommen bist?

KA: Mit keinem meiner runden Geburtstage hatte ich je ein größeres Problem, denn das entspricht einfach nicht meinem Wesen. Ich habe auch nie mein Alter verschwiegen oder niedriger geschummelt.

Gedanken an die Endlichkeit

Allerdings, als mein 60ster näher rückte, gingen mir viele Gedanken über die Endlichkeit des Lebens durch den Kopf. Meine Eltern und zwei meiner Großeltern sind erst gar keine 60 geworden. Es ist eine verdammt große Zahl, größer als die anzunehmende Restlaufzeit und ich frage mich, wie viele “gute” Jahre mir noch bleiben.

FP: Fühlst Du Dich „in den 60igern“ oder ist es eher so, dass Du Dich innerlich jünger fühlst?

KA: Manchmal schaue ich mich an und denke: “Sechzig kann ich doch noch gar nicht sein, oder?”. Nicht wegen des Aussehens, sondern das innerliche Gefühl ist noch lange keine 60, maximal 45. Die Seele ist der Anzahl von Jahren einfach nicht hinterher gekommen.

Irgendwo habe ich einmal gelesen, dass der Mensch immer alle Alter in sich trägt. Da ist sehr viel Wahres dran. Wenn ich Lust habe, in den Club zu gehen wie eine junge Frau, dann gehe ich in den Club. Wenn ich Lust habe, im Sommerregen mit nackten Füßen auf der Straße zu tanzen wie ein Kind, dann mache ich das. Mir ist es vollkommen schnuppe, ob einige, engstirnige Menschen sagen: “Schau dir die bekloppte Alte an…”, es ist mein Leben und warum sollte ich mir die kleinen Freuden nicht gönnen?!

Vernünftig sein müssen wir im Alltag und im Berufsleben schon genug, da bringen solche Momente ein kleines Glücksgefühl ins Leben und, ich tue ja niemandem weh damit.

Absurde Rentendebatte nervt

FP: Was stört Dich in der Gegenwart am meisten, wenn es um ältere Menschen in der Gesellschaft geht?

KA: Oft ist der Ton Älteren gegenüber abfällig, oft fehlt der Respekt. Sehr stört mich auch die Debatte, ob wir den überhaupt die Rente in dieser Höhe verdient haben und ob das fair ist, den Jungen gegenüber. Ich kann zwar die jungen Leute gut verstehen, aber ist das unsere Schuld?

Mein Mann, der sehr krank ist, bezieht eine EU-Rente, die nicht erheblich höher ist, als Hartz IV. Ich habe mein Leben lang gearbeitet und meine Rente wird auch nicht astronomisch hoch sein. Wenn ich im Rentenalter nicht weiter arbeite, werde ich meinen Lebensstill drastisch einschränken müssen.
Hätten wir unsere, zum Teil sehr hohen Rentenbeiträge, privat investiert, wären wir mit 45 versorgt gewesen.

Das System ist verantwortlich

Die jungen Menschen in unserem Land sollten verstehen, dass wir nach einem sehr langen Arbeitsleben noch ein wenig menschenwürdig weiter leben möchten. Nicht wir ältern Menschen sind dafür verantwortlich, sondern das System.

FP: Wie stellst Du Deinen Blog thematisch zusammen, was inspiriert Dich?

KA: Mein Blog ist eine Mischung aus Lifestyle-Themen, aus politischen Statements und aus ganz privaten, teilweise sehr persönlichen Themen, die mich in den jeweiligen Momenten berühren oder bewegen.

FP: Wie sind die Reaktionen auf Dein Internet-Magazin, was hat sich verändert, seit Du mit diesem Thema im Netz präsent bist?

KA: Noch blogge ich ja erst seit sehr kurzer Zeit. Dennoch habe ich bereits viele, interessante Kontakte knüpfen können und tolle Frauen kennen gelernt. Interessanterweise wird mein Blog von sehr vielen jüngeren Frauen gelesen.
Für die Zukunft hoffe ich, es kommen noch viele, auch ältere Leserinnen (Männer natürlich auch, wenn sie denn Lust haben) dazu und ich kann ein wenig Motivieren, zum Schmunzeln bringen, zum Nachdenken anregen und, wo nötig auch Mutmachen.

http://www.sweetsixty.de/

Bildnachweis / Copyright: Karin Austmeyer

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