„Sie sind das Fremde nicht gewohnt“ oder „Wir müssen ihnen die Zusammenhänge der Asylkrise besser erklären.“
Hört man solche und ähnliche Statements in der aufgewühlten Stimmung, die seit dem Sommer 2015 im Land zu verzeichnen ist, so kann man davon ausgehen, dass die Rede von Ostdeutschen ist.
Denn sie waren die ersten, die gegen die unfassbaren Zustände, die über Deutschland hereingebrochen sind, demonstrierten und ihren Unmut darüber auf der Straße kundtaten.
Und das lange bevor sogenannte Flüchtlinge hier sexuell übergriffig wurden oder – wie jüngst wieder geschehen – Einheimische ermordeten.
In unzähligen Talkrunden im Fernsehen, in Radiosendungen und in den Printmedien wird sie bis heute gepflegt: die Mär vom Ostdeutschen, der – einst hinter der Mauer lebend – keinen Kontakt zu Ausländern hatte.
Dabei hielt auch die einstige DDR Arbeitsplätze für Ausländer – offiziell Vertragsarbeiter genannt – vor. Diese Thematik ist im öffentlichen Diskurs aber kaum präsent und wenn, dann wird oft ein Zusammenhang zu einem angeblichen Rassismus in der DDR konstruiert.
So widmete sich beispielsweise die Hamburgerin Birgit Weyhe dem Thema „Ausländer in der DDR“ mit einem Comic.
Gegenstand des Werkes sind Mosambikaner, die in der DDR als Vertragsarbeiter gearbeitet haben. In dem Comic spielen fiktive Charaktere die Hauptrolle, der Inhalt beleuchtet die Geschichte der Menschen aus Mosambik, die im Arbeiter- und Bauernstaat auf Zeit arbeiteten. Die Rede ist – unter anderem – von „stumpfsinniger Arbeit“ und von „kaltem Alltagsrassismus“.
Die Autorin hat für ihr Werk Gespräche mit damaligen Vertragsarbeitern geführt, Statements ehemaliger DDR-Bürger indes finden sich in dem Comic nicht.
Wie so oft in diesen Tagen wurde das wichtige Puzzlestück, das eine journalistische oder schriftstellerische Arbeit erst „rund“ macht, weg gelassen. Wieder wird über eine bestimmte gesellschaftliche Gruppe geschrieben und geredet – aber nicht mit ihr.
Die Krönung des Ganzen ist die „Studie“ über den angeblichen Rechtsextremismus der Ostdeutschen, die kürzlich von der Ostbeauftragten der Bundesregierung, Iris Gleicke, vorgestellt wurde. Mittlerweile wurden medial viele Stimmen laut, die Ungereimtheiten und eventuell sogar Lügen in dieser „Studie“ vermuten lassen.
Dass sie zudem in einer Zeit veröffentlicht wurde, in der kein Tag vergeht, ohne dass man davon hört, dass in Deutschland Einheimische von sogenannten Flüchtlingen überfallen, sexuell missbraucht, verprügelt oder gar ermordet werden, ist eine weitere Farce, die jedem normal denkenden Menschen in diesem Land einmal mehr das Gefühl gibt, in einer Endlosschleife von „Des Kaisers neue Kleider“ gefangen zu sein!
Dabei ist es durchaus von Interesse, was Menschen, die damals Bürger der DDR waren, zum Verhältnis der Einheimischen gegenüber Vertragsarbeitern zu sagen haben. Dass die Kontakte zwischen DDR-Bewohnern und Ausländern von Rassismus geprägt waren, dürfte eine mehr als gewagte These sein, die – zumindest von den Zeitzeugen, mit denen ich mich unterhalten habe – nicht gestützt wird.
Da ist Melanie W., Mitte Vierzig. Die Unternehmerin lebt bei Dresden. Ihr verstorbener Vater leitete zu DDR-Zeiten ein Ausländerwohnheim in Dresden, weshalb sie schon als Kind mit Menschen verschiedener Herkunft in Kontakt kam.
Melanie W. berichtet, dass sie schon mit 7 Jahren Leute aus Mosambik, Kuba, Vietnam und Ungarn kennenlernte. „Die Ausländer“ so sagt sie „waren in einem Hochhaus untergebracht, in dem sie – separat in Wohnungen – zu drei bis fünf Personen wohnten und sich dort auch selbst versorgten.“
Befragt, ob die Vertragsarbeiter „stumpfsinnige Arbeit“ verrichten mussten, antwortet W.: „Die mir bekannten Ausländer arbeiteten in einem Maschinenbaukombinat. Stumpfsinnig war es sicher nicht.“
Erinnert sie sich an Situationen, in denen Vertragsarbeiter mit rassistischen Äußerungen oder Vorfällen seitens der Einheimischen konfrontiert wurden? W`s Antwort: „Nein. Nie“. In Sachen privater Kontakte zu den ausländischen Arbeitern berichtet Frau W.: „Sie wurden akzeptiert und toleriert. Unsere Familie war oft zu Feierlichkeiten eingeladen. Oft haben wir auch zusammen gekocht und viel über die Herkunftsländer erfahren. Teilweise sind richtige Freundschaften entstanden.“
Über unangenehme Begebenheiten mit Vertragsarbeitern merkt W. an: „Unschöne Erlebnisse hatte ich als Jugendliche oft mit Algeriern. Sie waren ziemlich aufdringlich, besonders zu Frauen und Mädchen“.
Ein weiterer Gesprächspartner von mir war der Rentner Jochen S., 68 Jahre alt. Zu DDR-Zeiten arbeitete er in einem großen, international bekannten, Werk in Sachsen. Nach der Wende war er für PDS und Linke politisch aktiv.
Auch seine Äußerungen deuten nicht darauf hin, dass frühere Vertragsarbeiter „stumpfsinnige Arbeit“ verrichten mussten oder dem Rassismus Einheimischer ausgesetzt waren.
Seine Aussage dazu: „Die zugewiesenen Tätigkeiten, unterschieden sich – soweit ich das erlebt habe – nicht nach Herkunft. Sie verrichteten die gleichen Arbeiten, unterlagen den gleichen Normen, wie ihre deutschen Kollegen. Ich selber habe Tätigkeiten in der mechanischen Fertigung (Zerspanung, Stanzerei usw. erlebt, weiß aber auch von Tätigkeiten in der Elektronikfertigung und –montage, sowie in der Schuh-und Textilfabrikation, speziell in Dresden auch im städtischen Schlachthof, usw.).
Insofern spielte die individuelle Einschätzung von Art und Charakter der ausgeübten Tätigkeiten sicher eine wichtige Rolle. Unterschiedliche, diskriminierende Arbeitseinteilung habe ich selber nicht erlebt.“
Befragt, inwieweit er rassistische Vorfälle gegenüber den Vertragsarbeitern mitbekommen hat, antwortet S.: „Ich selbst habe zumindest keine direkt erlebt, bzw. von entsprechenden Beschwerden seitens der Ausländer erfahren. Erst in den letzten Jahren tauchten vermehrt diskriminierende Bezeichnungen in der Umgangssprache auf, etwa „Fidschis“ für Vietnamesen oder „Kaffeebohnen“ für Schwarzafrikaner.“
Zum gemeinsamen Miteinander zwischen Einheimischen und Ausländern sagt S. folgendes: „Den weit überwiegenden Teil meiner Begegnungen, bzw. direkter Zusammenarbeit aber auch meiner Erlebnisse bzgl. der Zusammenarbeit von Ausländern mit den deutschen Kollegen habe ich als ausgesprochen positiv, aufgeschlossen und an gegenseitigem Kennenlernen interessiert erlebt. Sie wurden – neben der fachlichen Zusammenarbeit – aktiv in die Brigaden einbezogen, und zeigten auch selber Interesse am gegenseitigen Kennenlernen. Ich erinnere mich gern an Teilnahme an Brigadeveranstaltungen, an Lichtbildervorträgen und an Kochabende mit Rezepten aus ihrer Heimat.“
Hinsichtlich negativer Erlebnisse mit Ausländern in der DDR äußert sich S. folgendermaßen: „Mir sind einige solcher Vorfälle bekannt geworden, etwa gewalttätige Auseinandersetzungen unter Beteiligung ausländischer Studenten oder Vertragsarbeiter, zumeist im Umfeld von Tanzveranstaltungen in Diskotheken oder Jugendklubs. Ebenso sind mir Vorfälle von alkoholbedingten Vandalismus in größeren Gemeinschaftsunterkünften erinnerlich. Solche Vorfälle führten in der Regel zur sofortigen Rückführung, sei es durch die betreffende Botschaft, sei es durch DDR-Behörden.“
Neben den ehemaligen DDR-Bürgern, die ihre Erlebnisse im Umfeld der damaligen „volkseigenen“ Betriebe schilderten, traf ich auch Günther M., 70 Jahre, Rentner, der im sozialistischen Arbeiter- und Bauern-Staat mit einem Handwerksbetrieb in der Region Bitterfeld-Wolfen selbständig tätig war.
Befragt, wann er in der DDR mit Ausländern in Kontakt gekommen war, antwortet er: „Als Kind mit russischen Soldaten, Ende der 70iger kamen Algerier und Mitte der 80er arbeitete ein Praktikant aus Kuba in meinem Betrieb.“
Und die „stumpfsinnige Arbeit“? Günther M.: „Sie mussten eine Art Grundausbildung in den einzelnen Gewerken absolvieren, ähnlich wie einheimische Lehrlinge. Danach arbeiteten sie in den Betrieben, unter Anleitung von Vorarbeitern. Stumpfsinnige Arbeit war das nicht. Der kubanische Praktikant in meinem Betrieb war zudem sehr fleißig und wissbegierig.“
Zum menschlichen und privaten Miteinander äußert sich M. wie folgt: „Im unmittelbaren Arbeitsbereich gab es ein gutes Miteinander. Im Freizeitbereich gab es öfter Probleme. Es gab meines Wissens wenige private Kontakte. Die Aufenthaltsdauer war auf drei bis vier Jahre begrenzt.“
Was war mit Rassismus gegenüber den ausländischen Arbeitern? Günther M.: „Während öffentlicher Veranstaltungen, wie z. B. Tanzveranstaltungen, gab es oft Provokationen – beidseitig.“
Befragt zu negativen Erlebnissen, schildert M.: „In der Industrieregion Bitterfeld-Wolfen wurden häufig Vorfälle bekannt, wo Ausländer kriminell wurden. Häufig gab es Vorfälle auf Tanzveranstaltungen, wenn Mosambikaner und Algerier – oft unter Alkoholeinfluss – mit Messerstechereien anfingen. Kriminelle Ausländer wurden sofort in ihre Heimatländer abgeschoben.“
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Im Automobilwerk Eisenach waren auch Kubaner und Mosambikaner beschäftigt. Zu den Kubanern war das Verhältnis vorwiegend positiv.Das sieht man heute noch an den hier verbliebenen, die hier Familien gegründet haben und immer akzeptierte Nachbarn sind. Im Betrieb arbeiteten sie in der Fertigung und Instandhaltung.Die Einsatzdauer der Mosambikaner war eher kurz, sicher der nahenden Wende geschuldet. Freundschaftliche Verhälnisse waren eher nicht so ausgeprägt. Algerier waren im Gummiwerk Waltershausen beschäftigt. Da gab es des öfteren Probleme, wie auch heute mit muslimischen Nordafrikanern. Sicher eine Frage der Mentalität und des Glaubens.
Ich kann mich vorrangig an die Kubaner erinnern, waren tolle Menschen. War sehr oft im Wohnheim und habe mit den Frauen gekocht und es hat super gut geschmeckt.
Ich war sogar traurig dass sie wieder gehen mussten.