Peggy Biczysko (im Bild) wurde binnen weniger Stunden Ehefrau und Witwe.

Ein Schicksalsschlag mit ungeheurer Wucht, der die Redakteurin dazu veranlasste, erst einmal alles hinter sich zu lassen. Mit ihrer Trauer und einem kleinen Stofftier im Gepäck ging sie auf Weltreise – ganz allein.

Ein ganzes Jahr lang bereiste sie ferne Kontinente und machte in Südafrika ebenso Station, wie im Dschungel und auf den Galapagos-Inseln. Die Gedanken an den verstorbenen Ehemann begleiteten sie immer und überall. Dennoch war diese einjährige Auszeit in der Fremde, die beste Entscheidung, die sie treffen konnte. Sie schrieb zudem ein Buch darüber.

Im Interview erzählt uns die sympathische Frau, was diese Tour mit ihr machte.

FP: Dass Sie auf Weltreise gingen, lag vor allem daran, dass Ihr Mann starb und Sie Abstand gewinnen wollten. Welches Gefühl überwog, bevor Sie zu dem Entschluss kamen? Die Trauer, ein “nur weg hier” oder erdrückte es Sie, sich dort aufhalten zu müssen, wo Sie einst mit Ihrem Partner glücklich waren?

PB: Es war eine Mischung aus allem. Chap war zwar vierzehneinhalb Jahre lang mein Lebensgefährte, aber er war zum Schluss mein Ehemann. Darauf lege ich schon wert. Denn es war ihm sehr wichtig, mich zu heiraten. Und es war schon lange mein Wunsch.

Auch wenn wir unseren vorhergesehenen Termin am 28. April 2014 nicht mehr geschafft haben, sondern nur noch die Nottrauung eine Woche zuvor. Letztlich ist er dann neun Stunden nach unserer Eheschließung auf der Palliativstation in meinen Armen gestorben. Da wir einen unglaublich großen Bekannten- und Freundeskreis haben und eigentlich in unserer Heimat überall im Doppelpack aufgetreten sind, wollte ich weg, den Kopf irgendwie wieder freibekommen. Das hat über zweieinhalb Jahre gedauert. Ganz frei ist er aber noch immer nicht.

FP: In Ihrem Umfeld gab es sicher auch kritische Stimmen, dass Sie sich so alleine zu so einer gewaltigen Reise aufmachen – gab es Momente, in denen Sie selbst etwas Angst vor der eigenen Courage bekamen, vor der Reise?

PB: Natürlich gab es viele kritische Stimmen. Die meisten von Männern. Die haben, glaube ich, mehr Ängste als sie oft einmal zugeben. Und natürlich meine Mutter. Die hatte echt Panik. Aber ich persönlich hatte keine Angst. Vor nichts. Schon gar nicht vor der Reise.

Ich bin ja deshalb nur mit einem One-Way-Ticket losgezogen, um mich einfach treiben zu lassen. Die Welt ist ein Abenteuer, man muss sich einfach auf sie einlassen.

FP: Detailliert und spannend erzählt, schildern Sie in Ihrem Buch “Mit Leo zwischen den Ozeanen” (im Bild links) die verschiedensten Stationen Ihrer Reise.

Für die Leser/innen, die ihr Buch (noch) nicht kennen – was war Ihr schönstes und was Ihr negativstes Erlebnis auf diesem Trip?

PB: An ein negatives Erlebnis kann ich mich nicht erinnern. Da gab es eigentlich keine. Nur den Umstand, dass ich eben all die schönen Dinge allein erlebt habe. Aber ich habe ja viele Leute kennen gelernt. Das zählt zu den schönsten Erlebnissen. Und die unendlich schönen Begegnungen mit Tieren, zum Beispiel im Dschungel Ugandas und Ruandas mit den Berggorillas. So etwas ist einmalig.

Ebenso die Erlebnisse bei meinem vierwöchigen Volontariat in Makalali im südafrikanischen Busch zwischen Elefanten, Nashörnern und Löwen. Das vergisst du im Leben nicht, das brennt sich tief ein.

FP: Hatten Sie für sich eine bestimmte Art und Weise, mit Ihrer Trauer umzugehen, wenn sie von ihr auf Reisen gepackt wurden?

PB: Wenn ich allein im Dschungel oder auf einem Vulkan war, hab ich einfach mal laut losgeschrien. Das hilft. Und ich habe meine Trauer nie versteckt, immer offen darüber geredet. Denn jeder auf Reisen will ja wissen, woher man kommt, wohin man geht, wer man ist und wie es möglich ist, so lange auf Reisen zu sein.

Also rücke ich sofort mit der Wahrheit heraus. Das schockt die meisten anfangs, aber dann hatten wir immer eine gute Zeit.

FP: Auf der Weltreise konnten Sie sich schlecht in die Ecke setzen und sich tagelang der Trauer hingeben – ein Erlebnis jagte das nächste. Wie ist das heute, wenn Sie die Erinnerung bzw. Trauer an Ihren Mann sehr heftig überfällt – wie gehen Sie damit um?

PB: Den Tränen immer freien Lauf lassen. Das überkommt mich und geht auch wieder weg. Auch jetzt noch, manchmal am Arbeitsplatz, oft daheim, am Friedhof, am Weihnachtsmarkt, bei Festen, die wir früher gemeinsam besucht haben.

Es gibt die Jahrestage, Geburtstage, den Tag, an dem wir zusammengekommen sind oder Chap mir den Heiratsantrag gemacht hat. Da muss ich dann raus in die Natur, laufen, durchatmen, Sport treiben. Natur ist immer gut.

FP:  Sie haben eine Vielzahl fremder Länder auf der Reise kennengelernt und tolle Erlebnisse gehabt. Angenommen, Sie müssten Ihre Heimat verlassen und könnten sich aus den Ländern, die Sie bereist haben, einen neuen Lebensmittelpunkt raus suchen – wohin würden Sie gehen?

PB: Australien wäre definitiv ein Land, in dem ich leben könnte. Die Vielfalt, die Schönheit der Natur, ich habe Freunde dort und auch einen Teil meiner Familie. Kapstadt wäre auch eine wunderschöne Stadt zum Leben.

FP: Haben Sie ein, zwei ultimative Ratschläge, die Sie anderen Menschen, die vorhaben, auf Weltreise zu gehen, geben würden?

PB: Sich gut darauf vorbereiten und zu Hause jemanden haben, auf den man sich im Notfall verlassen kann. Ich hatte meinen besten Freund zu Hause mit einer Generalvollmacht betraut. Das Finanzielle muss sorgfältig abgesteckt, eine gute Krankenversicherung ausgewählt sein.

Klunker und Schminke haben auf einer Reise nichts verloren, machen nur Diebe auf einen aufmerksam. Manchmal ist weniger mehr. Und man sollte nicht zu viel über alles nachdenken, sich einfach treiben lassen. Manchmal auch ohne konkretes Ziel. Das ergibt sich während der Reise von ganz allein.

FP:  Was empfehlen Sie den Menschen, die ebenso einen geliebten Partner oder Angehörigen viel zu früh verloren haben, aber nicht die Mittel haben, um auf eine (Welt)Reise zu gehen?

PB: Puh! Das ist schwierig. Wichtig sind auf jeden Fall gute Freunde und die Familie. Die fangen einen auf. Aber mir hat das allein leider nicht geholfen. Ich wollte einfach weg von allem, mich neu finden.

Die Liebe war zu groß, der Schmerz zu tief.

FP: ihr treuester Reisebegleiter war das Maskottchen Leo, ein Stofftier, das Ihnen und Ihrem verstorbenen Lebensgefährten gehörte. Hat Leo einen Ehrenplatz in Ihrem heutigen Zuhause?

PB: Na klar, der sitzt neben mir im Bett und begleitet mich auf meine Lesungen. Und natürlich auf Reisen.

FP: Wie leben Sie heute – gibt es bereits neue Pläne, wieder in die Ferne zu schweifen? Oder werden Sie erst mal lange Zeit von der Reise zehren und sich auf Hobbys im persönlichen Umfeld konzentrieren. Wenn ja, welche sind das?

PB: Ich habe eine neue Mietwohnung, nur noch halb so groß wie einst. Ich arbeite wieder für meine Tageszeitung Frankenpost als Redakteurin und bin viel unterwegs, nehme alles mit, was mich interessiert.

Ich war erst letztes Jahr wieder auf Cocos Keeling Islands, der Insel, wo ich einen Monat in einem alten Schulbus gelebt habe. Und im Februar steht Ägypten an, wo ich meinen Tauchschein mache. Natürlich zehre ich von der Reise noch immer. Und da Reisen mein größtes Hobby ist, steht so einiges auf meiner Agenda für dieses Jahr.

Eventuell auch das Schreiben meines nächsten Buchs.

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