Astrid Korten interviewte das erfolgreiche Drehbuchautoren-Paar Ulrike und Hans Münch

„Der Landarzt“, „Traumhotel“ und vieles mehr stammt aus der Feder der erfolgreichen Drehbuchautoren Ulrike und Hans Münch. Sie sind meine Interviewpartner für den Monat Dezember und haben sich meinen Fragen gestellt, in dem sie über Ihre Arbeit, Ihre Romane und über das, was ihnen besonders am Herzen liegt, sprechen.
Viel Spaß beim Lesen dieses interessanten Gesprächs.
Ihre Astrid Korten
Astrid1AK: Idealerweise könnte bei einem Interview die Hoffnung doch sein, dass irgendetwas zum Vorschein kommt, was man so noch nicht über eine Person gewusst hat. Ich stelle Fragen, weil ich mit Euch spielen und mit Euch warm werden möchte, um sozusagen einen Austausch herzustellen. Ist das für Euch in Ordnung?

Hans: „Wir spielen da gerne mit, oder wie Arthur Schnitzler gesagt hat: ‚Wir spielen alle, wer es weiß ist klug‘“
Ulrike: „Das ist wunderbar! Ich finde Smalltalk nämlich furchtbar – und halte das auch auf Partys und Empfängen nicht lange durch. Ich bin bereits gefürchtet – weil ich immer persönliche Fragen stelle.“

AK: Der Klassiker zum Aufwärmen und eine erste wohlwollende Geste. Wie geht’s Euch in der Vorweihnachtszeit?

Hans: „Da geht es mir ganz hervorragend, weil es Ulrikes Zeit ist. Da kann sie alle ihre Engel aufstellen, Lichter blinken, funkeln und rotieren lassen, den ganzen Tag Weihnachtslieder hören. Kann man sich eine besser gelaunte Frau und Kollegin vorstellen?“

Ulrike: „Hans hat‘s ja schon gesagt, ich liebe die Vorweihnachtszeit! Da muss wohl irgendwann in der Kleinkinderzeit die Uhr stehen geblieben sein. Allerdings gibt’s bei mir auch zu anderen Jahreszeiten Engel – die inspirieren mich.“

AK: Euch liegen so viele Dinge am Herzen, dass Ihr locker eine Nacht mit einer Flasche Rotwein am Kamin sitzen und diskutieren könntet, habt Ihr mir anvertraut. Wie wäre es mit einem Beispiel?

Hans: „Wir können locker eine Nacht damit verbringen, über alle unsere Lieben (egal ob verwandt oder befreundet) zu reden, über ihre Stärken und Schwächen, was sie tun könnten, um noch glücklicher oder überhaupt glücklich zu werden (und vielleicht auch, ob wir etwas Klitzekleines dazu beitragen können).“
Ulrike: „Wir reden auch viel über aktuelle Entwicklungen in Politik, Wirtschaft und Weltgeschehen – und malen uns Visionen aus, wie die Lage in ein paar Jahren aussehen wird – und wie man gegensteuern könnte. Und in den Nächten entstehen dann viele Filmideen. Schließlich haben wir als Drehbuchautoren die Chance, von vielen Millionen Menschen gesehen zu werden…“

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AK: Ulrikes Ebook „Ein Engel für Jonathan“ ist soeben erschienen und die bisherigen Rezensionen sprechen für sich. Worum geht es in dem Buch, Hans?

Hans: „In jeder der kurzen Geschichten geht es im Grunde darum, dass Engel zu unserem Leben gehören und wir zum Leben der Engel. Das verstehen Kinder so gut wie Erwachsene.“

AK: Ulrike, der Erzengel Gabriel sucht nach Weihnachten und findet es nicht, Kollege Raffael will einem Biker den Lebensmut wieder geben und Uriel versucht, ein junges Paar zu verkuppeln, das zunächst andere Pläne hat. Wie ist die Idee zum Thema entstanden?

Ulrike: „Bestimmt hab ich gedacht: Wenn einer von den himmlischen Kumpels sich wirklich mal hier unten blicken lassen würde, hätte er vermutlich ein echtes Problem… Jeder würde denken: Wieder so ein Fall für ‚Bonnies Ranch‘ (die Klapse) – er hält sich für einen Erzengel.“

AK: Ulrikes Geschichten laden ein darüber nachzudenken, wodurch Weihnachten eigentlich zu Weihnachten wird. Was bedeutet Dir Weihnachten, Hans?

Hans:„Weihnachten haben wir fast immer Gäste, die wir manchmal gar nicht, manchmal ein wenig kennen und dazu kommt unsere inzwischen ziemlich umfangreiche Familie. Es wird viel geredet, manchmal auch gespielt und natürlich machen wir auch Quatsch mit den Kindern. Seit ich als Kind Weihnachten eher nüchtern, fast kühl erlebt habe, versuche ich so viel Wärme – man könnte auch sagen “Stallwärme” – wie möglich ins Haus zu bekommen und meistens gelingt das auch erstaunlich gut.“

AK: Du schreibst unter dem Pseudonym ‘Deborah Ginsberg’. Warum ein Pseudonym, Ulrike?

Ulrike: „Ich hatte einen sehr dominanten Vater – er war Theaterdirektor und wurde auch als ‚schwäbischer Till Eulenspiegel‘ betitelt. Als ich sein Kleintheater verlassen wollte, um eigene Wege zu gehen, hat er zu mir gesagt: „Wo willst du hin? Du bist nix – und du kannst nix! Wenn was aus dir wird, dann nur wegen meinem Namen!“ Am nächsten Tag hatte ich einen neuen Namen. Das brauchte ich, um mich von dem ‚Fluch‘ zu befreien… und dann wurde eben zuerst Deborah Ginsberg bekannt – die Presse hat viel über sie berichtet 😉 und manchmal hatte ich das Gefühl schizophren zu werden. Ich wusste nicht mehr, kennt mich dieser Mensch jetzt als Deborah oder Ulrike? Münch oder Ginsberg? Ginsberg-Münch?“

Bild links: „Ulrikes süße Schreibtischengel Lenya und Lea, die sie vorwurfsvoll anschauen, wenn sie am PC spielt, statt zu schreiben.

AK: Hattest Du schon mal eine Begegnung mit einem ‘beflügelten’ Engel, Ulrike? Ich denke hier nicht an Wayne Carpendale.

Ulrike: „Tatsächlich hab ich in meinem Leben schon eine Menge ‚irdische Engel‘ kennen gelernt, die meinen Lebensweg gründlich beeinflusst haben. Engel, die immer da waren, wenn Hilfe dringend nötig war. Dafür bin ich sehr dankbar. Die ‚beflügelten‘ Heerscharen sind vielleicht im Einsatz, wenn eine zündende Idee kommt – ein Einfall, der aus heiterem Himmel in einen hinein ‚fällt‘. Oder Intuition… manchmal krieg ich sogar am ganzen Körper Gänsehaut wenn ich spüre: Das ist die ultimative Idee!“

Hans mit Schal, damit er keinen dicken Hals kriegt, wenn von irgendwoher Gegenwind kommt…

AK: Hans, vom Lastwagenfahren, Butler, Chauffeur, Studium von Architektur und Städtebau in Stuttgart, Studium von Philosophie, Psychologie und Soziologie in Tübingen, Schauspielausbildung, Öffentlichkeitsarbeit für ein Privattheater, Programmgestaltung, Finanzplanung, Tourneeleitung. Plakatierer, Putzmann, bis zum Drehbuchautor. Wow! Entspricht das dem deutschen Traum vom Tellerwäscher zum Millionär?

Hans: „Oder vom Millionär zum Tellerwäscher :-)) Aber ganz ehrlich, gibt es einen geraderen Weg für einen Schreiberling, auch wenn er noch so krumm und voller Winkel, Sackgassen und Abzweigungen ist – bei dem das Scheitern so wichtig ist wie der Erfolg?“ (im Bild unten: Hans mit Schal, damit er keinen dicken Hals kriegt, wenn von irgendwoher Gegenwind kommt…)4

AK: Hans, gibt es etwas, was den Schwaben besonders auszeichnet außer Maultaschen und Sparsamkeit?

Hans: „Also, es gibt eine umfangreiche Antwort, die findet sich in dem Buch „Die Schwaben und die Republik“, das ich zusammen mit dem großen Schwaben Felix Huby geschrieben habe (Belser-Verlag 2013). Die kompakte Antwort lautet: Sie sind „hälinge g’scheit“ – was soviel heißt wie: Sie sind gescheit, aber protzen nicht damit.“

AK: ARD, ORF, SAT1 oder ZDF verfilmen Eure Drehbücher. Welches Drehbuch brachte den Durchbruch, Ulrike?

Ulrike: „Ich glaube das war „Ein Gauner Gottes“ mit Fritz Wepper und Saskia Vester – eine Komödie, die wir zusammen mit Felix Huby geschrieben haben. Der Film wurde (und wird immer noch) unzählige Male in der ARD und den dritten Programmen wiederholt.“

AK: Bis auf die Spielfilme “Das Traumhotel”, “Tal des Schweigens” mit Christine Neugebauer in der Hauptrolle und “Die Landärztin” habt Ihr an vielen Serien mitgearbeitet. Was hat auch gut gefallen, was gestört?

Hans: „Gefallen hat uns, dass wir beim seriellen Schreiben die Geschichten manchmal subtiler und über einen längeren Zeitraum erzählen konnten. Gestört hat uns, dass wir sie auch manchmal nicht so erzählen konnten, wie wir ursprünglich wollten. Es reden viele Verantwortliche mit – und die Kunst ist, sie alle unter einen Hut zu bringen.“

Ulrike: „Außer der Arbeit mit engagierten und humorvollen Produzenten und Redakteuren freuen wir uns immer über tolle Schauspieler, die unseren Worten ‚Seele‘ verleihen. Ein Highlight war da sicher auch ein Drehbuch, das wir seinerzeit für die wunderbare Evelyn Hamann geschrieben haben.“

AK: Der Pilotfilm zum Projekt „Der Landarzt” sowie ein paar Folgen für Wayne Carpendale, “Forsthaus Falkenau”, “Kommissar Rex”, “Hinter Gittern” und Soaps wie “Unter Uns” um nur einige zu nennen, sind beliebte, erfolgreiche TV-Sendungen. Woher nimmst Du die Ideen, Hans? Ist Ulrike deine Muse?

Ulrike: Das beantworte jetzt mal ich: Manchmal bin ich Muse – hin und wieder bin ich aber auch der Stiefel, der in den Allerwertesten tritt… zum Beispiel wenn der Abgabetermin näher rückt, wir hängen – und Hans plötzlich auffällt, dass der Rasen gemäht werden muss, oder man die Rosen schneiden könnte. Auch wenn Segelwind aufkommt – und Hans sich begehrlich den Wind um die Nase wehen lässt…

AK: Entstammen die Soap-Konzepte nicht ein bisschen sehr den Köpfen verzweifelter ARD/ZDF-Redakteure?

Hans: „Es wird immer und ewig ein Geheimnis bleiben, wie eine erfolgreiche Daily, Weekly oder Serie zu machen ist. Dabei geht eben auch viel schief, aber immer wieder klappt es auch. Wir konnten z.B. bei der seit sieben Jahren erfolgreichen bayerischen Serie “Dahoam is Dahoam” von Anfang an mitschreiben. Die ist inzwischen Kult und hat sogar hier in Berlin – also bei den ‘Preißn’ – ihre Stammzuschauer.“

Ulrike: „Die Redakteure wären nicht so verzweifelt, wenn sie sich rechtzeitig an uns wenden würden. Wir arbeiten gerade an zwei neuen Serienkonzepten – die wir schlichtweg für genial halten. Das sagt mir meine Gänsehaut! Die Geschichten gehen in die Tiefe, sind menschlich – und gleichzeitig urkomisch… mehr dürfen wir darüber zum jetzigen Zeitpunkt allerdings nicht erzählen.“

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Wer träumt dort? (Bild links)
Hans: „Unser Segel- und Inspirationsrevier in der Abendstimmung…“
Ulrike: „Ich liebe Sonnenuntergänge! Das ist Balsam für meine Seele.“

AK: Dem „Traumhotel“ gelang es nie auch nur annähernd, einen Kultstatus wie “Das Traumschiff” zu erreichen. Woran glaubt Ihr, hat das gelegen, Hans?

Hans: „Der Rademann vom Traumschiff war einfach der Erste.“
Ulrike: „Eben! Hätte man dem Traumhotel noch ein paar Jahre Zeit gegeben, hätten wir auch Kultstatus erreicht – da bin ich mir sicher.“

AK: Ulrike – Wie ist er denn so privat, der Christian Kohlund?

Ulrike: „Weiß ich leider nicht. Ich bin ihm nur selten auf irgendwelchen (Berlinale)Empfängen begegnet. Aber seine sexy-sonore Stimme hat er mit Sicherheit auch privat.“

(Anmerkung d. Redaktion: Christian Kohlund hat leider nicht auf unsere Interview-Anfrage reagiert. Daher können wir seine Meinung zum Traumhotel hier nicht wiedergeben)

AK: Ist Fernsehen so over, dass es schon wieder interessant ist, Hans?

Hans: „Familie gewinnt wieder an Stellenwert und damit auch ein gemeinsamer Familienabend aber auch Freundes- und Kollegenabend. Es gibt auch Untersuchungen, die sagen, dass es für Zuschauer durchaus attraktiv ist, zu wissen, dass jetzt alle vier-, fünf-, oder sieben Millionen gemeinsam diesen Film sehen. Und natürlich würde ich mir auch kein Autorennen, einen Boxkampf, oder gar ein Fußballspiel als Konserve aus der Mediathek herunterladen.“

Ulrike: „Für mich ist Fernsehen ein Stück vom Leben. Ich hab einen riesen Apparat im Büro und der läuft auch fast den ganzen Tag – während ich arbeite. Hans würde das verrückt machen – aber mich beflügelt es. Kaum zu glauben, dass wir bis vor vier Jahren noch gemeinsam in einem Büro gesessen haben – und zwar genau vis a vis. Da auch jeder von uns einen eigenen Musikgeschmack hat, haben wir uns deshalb oft gezofft!“

AK: Du hast als Skript-Editor gearbeitet, Ulrike, und als Chefautorin für “Verbotene Liebe”. Wie müssen sich unsere Leser das vorstellen?

Ulrike: „Ein Script-Editor/Editorin überarbeitet die Drehbücher und gleicht sie an – schließlich werden sie von verschiedenen Autoren geschrieben – und arbeitet die Wünsche der Redaktion ein. Manchmal kommen auch Schauspieler, die Textänderungen wollen. Der ‚Autor vom Dienst‘ meistens auch der Scripteditor muss sofort die Szenen umschreiben: Wenn ein Schauspieler krank ist und ein anderer einspringen muss… wenn es am Drehtag regnet, obwohl im Drehbuch steht, dass alle bei schönstem Wetter in den Pool springen (wo treffen sich dann die Schauspieler?)
Der Chefautor/die Chefautorin überblickt alle Geschichten, erarbeitet die längeren Bögen (wer verliebt sich in wen? Welche Figur geht, wer kommt neu dazu etc.) und ist verantwortlich für Storyline und Drehbuch.“ (im Bild: die goldene Schreibmaschine)
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AK: Habt Ihr mehr Drive als viele müden Autorenkollegen?

Hans: „Das wissen wir nicht, aber unsere inzwischen ziemlich erwachsenen Kinder und deren Freunde halten uns ganz schön auf Trab. “Schwächeln” ist da eher weniger angesagt.“

Ulrike: „Abschwächeln geht überhaupt nicht. Als freie Autoren wird die Rente später mal – wie bei vielen Künstlerkollegen – mehr als spärlich ausfallen. Wir werden also schreiben, so lang der Kopf mitmacht.“

AK: Ulrike, zurzeit schreibst Du an der Serie ‘Dahoam is Dahoam” mit, die im BR läuft. Gefällt dir die schauspielerische Umsetzung?

Ulrike: „Schlichtweg ja! Ich mag die Schauspieler, weil sie so urig, sperrig und authentisch sind. Sie spielen uns jeden ‚Subtext‘.“

AK: Kannst Du jodeln, Ulrike?

Ulrike: „Ja logo! Wenn unter der Dusche in unserem uralten Haus überraschend das heiße Wasser ausfällt. Oder mir ein Holzscheit auf den Fuß kracht! Oder wenn ein wenig begabter Schauspieler (die gibt es auch) unsere schönen Texte zur Minna macht. Dann klingt das ‚jodeln‘ eher nach ‚jaulen‘.“

AK: Hans – was bedeutet Dir die AIDS-Hilfe. Ich habe gelesen, dass Du dort Schulungen besucht hast.

Hans: „Das ist ein Missverständnis, zusammen mit Ulrike habe ich für Mitarbeiter und Aidskranke Kreativ-Trainings gemacht, die dazu beitragen sollten, den oft belastenden Alltag der Teilnehmer spielerischer bewältigen zu können. Als alte Theaterhasen ist uns das auch erstaunlich gut gelungen.“

AK: Ulrike: Sind schwule Männer die besseren Männer?

Ulrike: „Ich mag schwule Männer. Mein bester Freund war schwul – wir haben uns toll ergänzt. Mit ihm konnte ich über alles reden… jetzt sitzt er im ‚himmlischen Kultusministerium‘, da wollte er immer hin. Ich bin überzeugt er ist eines der Wesen, die mich beflügeln.“

AK: Ihr habt mir ein Fotos von euren Büro geschickt. Man erkennt: Ihr seid komplett verschieden. Hans, Ulrike liebt Kitsch. Du magst klare Formen. Wie steht‘s mit dem Haussegen, wenn Ulrike Dir zu Weihnachten etwas Kitschiges schenken würde?

Hans: „Würde? Sie tut das seit Jahren und hat mich nach und nach zu einem Kitschmenschen gemacht (was ich allerdings nie zugeben werde).“

Ulrike: „Das kann ich bezeugen – zugeben würde er das nie… aber seit ein paar Jahren trägt er nur noch rote Socken, irgendwann hat er mir einen Engel geklaut… und seit einiger Zeit heult er auch bei traurigen Filmen – natürlich so, dass es niemand merkt.“ 😉

AK: Ihr freut Euch täglich an viel Besuch von jungen Leuten, habt 3 Kinder/ 3 Schwiegerkinder und 5 Enkelkinder. Ulrike, was waren deine ersten Worte?

Ulrike: „Man sagt mir nach, dass meine ersten Worte waren: „Bin i lieb?“ Ich konnte es schon früher schlecht ertragen, die Menschen mit miesen Launen zu belästigen. Dann hab ich wohl mit fünf Jahren bereits mein erstes Gedicht erfunden: „Eine kleine Kerze auf dem kalten Steinfußboden.“ Meine Eltern fanden das blöd…“

AK: Und Deine ersten Worte, Hans?

Hans: „Peinlich. Meine ersten Worte waren Worte der Entrüstung. Wenn die Mutter mir unterstellt hat, dass ich schon wieder in die Hose gemacht habe, hatte ich nichts Eiligeres zu tun, als auf meine Zwillingsschwester zu deuten und laut ihren Namen zu rufen. Ich wollte damit erreichen, dass die Mutter doch gefälligst auch in deren Windel nachsehen soll und nicht immer nur bei mir. (Bei unseren Kindern hab ich dann gelernt, dass Mädchen früher ‘sauber’ sind, als Buben).“

AK: Hans, wozu braucht der Mensch eine Privatsphäre?

Hans: „?? Vielleicht um zur Besinnung zu kommen?“

Ulrike: „Weil es ein Segen ist, mal ganz nach seinem eigenen Rhythmus leben zu können. Manchmal will ich nicht angesprochen – und bisweilen nicht mal angeschaut werden. Ich will auch mal Selbstgespräche führen dürfen…“

AK: Einen ganzen Tag ohne Essen oder ohne Handy?

Hans: „Ohne Handy ist kein Problem, ich lass es sowieso dauernd irgendwo liegen, wo es dann bimmelt, bis der Akku leer ist. Finde mal ein Handy das im Weinkeller seinen Geist aufgibt. Da nützt auch keine Handyortung! Die Frage, wie es mir geht, wen ich einen Tag lang nichts zu essen bekomme, kann besser Ulrike beantworten.“

Ulrike: „Ohne Essen ist er unerträglich… ein unterzuckerter Mann/Mensch kann die ganze Stimmung killen – deshalb koche ich jeden Abend. Ich zum Beispiel brauche mein Handy immer. Das ist die Schaltzentrale zu Freunden, Kindern, Enkeln und Auftraggebern… ein Tag ohne – undenkbar! Nicht nur für mich!“

AK: Ulrike, wie oft seid Ihr auf Instagram zu sehen?

Ulrike: Gar nicht!

AK: Hans: Ist Facebook eher männlich oder weiblich?

Hans: „Eindeutig, wie alle Chatforen, weiblich.
Natürlich! Wie sagt man so schön: „Das Schweigen der Männer…“ Aber dann kommt jeden Abend regelmäßig die Frage: ‚Gibt’s was Neues?‘“

AK: Hans – Verstehst Du etwas von Weiblichkeit?

Hans: „Kann man so sagen. Immerhin hatte ich eine Zwillingsschwester, wir haben die nonverbale Kommunikation so sehr perfektioniert, dass wir an unterschiedlichen Orten zeitgleich ohnmächtig geworden sind. Nur als ich in Hamburg mal in ein Frauenhotel wollte mit der Begründung, dass ich eine ausgeprägt weibliche Seite habe, bin ich gescheitert.“

AK: Ulrike, hilft Social Media Menschen aus der Einsamkeit herauszutreten und in Kontakt zu treten mit anderen?

Ulrike: „Für mich ganz klar ja! Erst durch FB und Co hab ich die Kinder meiner zahlreichen Cousinen und Cousins kennen gelernt, die zum Teil auf der ganzen Erdkugel verstreut sind. Und mittlerweile kommen einige bei uns vorbei. Man kann auch gut Kontakt halten zu Ex-Kollegen – und vielen Menschen, die einem wichtig sind.“

AK: Hans, empfindest Du Europa dekadent?

Hans: „Ganz und gar nicht! Solange wir die regionalen Eigenheiten nicht nur bestehen lassen, sondern unter (Arten-) Schutz stellen. Als in Wien geborener, des Schwäbischen mächtiger und in Berlin und Brandenburg lebender – inzwischen auch deutscher Staatsbürger – fühle ich mich schon lange ‘transnational’.“

AK: Hans, hast Du eine typisch deutsche Seite?

Hans: „Ulrike sagt, früher war ich ordentlich. Die Betonung liegt auf ‘früher’.“

AK: Würdet Ihr gerne mal im Kaufhaus übernachten?

Hans: „Ich geh auch bei Tag nicht ins Kaufhaus, warum sollte ich mich da nachts aufhalten??“

Ulrike: „Ich würde nicht nein sagen – zusammen mit einem netten Menschen. Anfangen würden wir in der Feinkostabteilung…“

AK: Was bezeichnest Du als Dein besonderes Talent, Hans?

Hans: „Unnütze Arbeiten meiden, sammeln, erfinden und mit Ulrike neue – noch nie da gewesene – Geschichten erfinden.“

AK: Ulrike, schon mal von Shades of Grey gehört? Könntest Du Dir vorstellen, eine Drehbuch-Serie zum Sadomaso-Thema zu schreiben?

Ulrike: „Ich hätte da keine Berührungsängste – obwohl Sadomaso beim besten Willen nicht ‚mein Ding‘ ist. Wenn früher niemand meine Geschichten kaufen wollte, die Kinder aber Hunger hatten, hab ich auch mal als Bardame gearbeitet – oder in einem Sexshop verkauft. Der hieß in der prüden, pietistischen Stadt noch züchtig: ‚Fachgeschäft für Ehehygiene‘. Was ich dort erlebt habe, würde auch ganze Romane füllen.“

AK: Wer käme für die Hauptrolle infrage, Hans? Daniela Katzenberger?

Hans: „Lass mich mal nachdenken… Ich glaube, es müsste eine naivere Darstellerin sein.“

AK: Kennt Ihr eine Karaoke-Bar in einer deutschen Stadt, die man unbedingt aufsuchen sollte?

Hans: „Wir singen lieber vom Blatt – und dann am liebsten eigene Texte.“

Ulrike?

„Um ehrlich zu sein… wenn wir singen, muss Amnesty einschreiten. Das ist anerkannte Folter.“

AK: Wie sieht der perfekte Tag aus?

Hans: „Aufwachen mit Sonne und Vogelgezwitscher, schwimmen, Kaffee, ein Frühstück mit allem drum und dran (aber ohne gebackenen Schinken), Tee, Tageszeitung. Die Welt langsam zu mir kommen lassen. Alles was mit Bürokratie zu tun hat erst mal wegarbeiten. Mittags mit Ulrike die zwei Kilometer zur Seeschule und wieder zurück, aber nur so schnell, dass wir noch reden können. Arbeiten bis weit in die Nacht. Wenn alle schlafen, kann ich mich am besten konzentrieren, (dann denkt mich niemand an).“

Ulrike?

„Ein perfekter Tag? Wenn Nachbarn unerwartet aufkreuzen… Gespräche bis weit in die Nacht… Gänsehaut, weil bei der Geschichte endlich der Knoten geplatzt ist… Ein Video von unseren Enkeln auf dem Handy empfangen… wenn mir ein perfektes Menü gelingt und alle satt und glücklich sind… Ein Anruf von Hollywood – oder ein Lottogewinn… 😉 ja okay, einen so perfekter Tag wird es vermutlich nie geben!“

8AK: Hans, Denkerstübchen oder das literarisches Klo?

Hans: „Das stille Örtchen – schließlich soll Schweigen sprichwörtlich Gold sein.“

AK: Gibt es eine neue „Traumserie“ aus Eurer Feder?

Hans: „Die gibt es, aber darüber können wir noch nicht reden.
Aber es wird eine Serie sein von Menschen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen – und die sich trotzdem nicht kleinkriegen lassen. Wir lieben ‚Antihelden‘.“

AK: Ulrike, liest Du die Bunte?

Ulrike: „Klar, beim Zahnarzt – oder mal beim Friseur.“

AK: Was meinst Du, Hans? Ist Karl Lagerfeld das größte Genie auf Erden oder nur ein alter Mann in zu engen Jeans?

Hans: „Einstein war ein Genie, Keith Jarrett ist eines, aber Lagerfeld?? Er ist ein Genie, weil er sich zu inszenieren versteht.“

AK: Ulrike, wenn Du die Wahl hättest: Lady Gaga oder Kim Kardashian?

Ulrike: „Bestimmt Lady Gaga – sie ist so herrlich verrückt. Und sie erlaubt es sich, die vielen Facetten ihrer Seele auszuleben. Das machen wir Autoren auch, nur nicht in der Öffentlichkeit – sondern eher in den Figuren, die wir erfinden und zum Leben erwecken…“

AK: Hans, wärst Du lieber Obama oder Putzfrau?

Hans: „Dann schon lieber Putzfrau, da sieht man den Erfolg seiner Arbeit wenigstens sofort. Aber am liebsten bin ich Hans.“

Ulrike: „Ich wär schon mal gern Obama – mit der Option, mich sofort zurück zu verwandeln.“

AK: Das heißeste Ding im deutschen Fernsehen?

Ulrike: „Psst! Nicht stören! Wir arbeiten gerade daran.“

10Im Bild links:  Ein Ritter im Hause Münch

AK: Ist der Ritter eine Filmrequisite, Ulrike?

Ulrike: „Unser eiserner Türsteher ist eine ‚Hinterlassenschaft‘ von unserem jüngsten Sohn. Damit wollte er um seine Herzensdame kämpfen… (das war kreativ – aber umsonst) Da hat sein Vater ein blumigeres Händchen.“
AK: Beschreib mal Deinen Traummann, Ulrike.

Ulrike: „Humorvoll, aufmerksam – einer, dem man blind vertrauen kann, mal Ritter – mal Visionär… auf keinen Fall ein ‚Schweiger‘, sonst langweile ich mich zu Tode… ich liebe Überraschungen…er muss mich ertragen – und das ist bestimmt nicht immer einfach.“

AK: Love is in the air oder Dauerzustand, Ulrike?

Ulrike: „Dauerzustand! So lang wir täglich miteinander lachen können…“

AK: Hans: Bist Du derzeit verliebt?

Hans: „Klar.“

AK: Ulrike – Dein Mittel gegen Übergewicht?

Ulrike: „Alles nicht so verbissen sehen! Und sich dem Schönheitsideal nicht blindlings zu unterwerfen. Meine Oma hat immer gesagt: „Im Laufe des Lebens wächst das Herz und die Seele – da muss der Körper eben mitwachsen…“ Großherzig war sie, meine Oma – sie hat neun Kinder allein groß gezogen und dabei nie den Mut verloren. Und wir sollen uns wegen etwas Hüftgold die kostbare Lebenszeit verderben lassen??“

AK: Hans, welche Figur aus „Ein Engel für Jonathan magst Du besonders, möchtest Du grüßen: Erzengel Gabriel, seinen Kollege Raffael oder Uriel? Warum?

Hans: „Ich mag sie alle vier! Den Gabriel, weil für ihn die Gespräche so wichtig sind (und weil bei meinen Eltern nie gesprochen wurde). Den Raffael, weil er dafür zuständig ist, dass wir an Leib und Seele gesunden. Den Michael, weil er für Ordnung sorgt. Er kämpft für mehr Gerechtigkeit (obwohl ich unseren Kindern immer gesagt habe, es gibt keine Gerechtigkeit – aber man kann sich danach sehnen). Und schließlich den Uriel, der Engel der Lebensfreunde schenkt.“

AK: Ulrike, gibt es einen deutschen Schauspieler, für den Du gerne mal ein Drehbuch schreiben würdest?

Ulrike: „Mario Adorf, Daniel Brühl… es gibt so viele tolle Schauspieler – wo soll ich da anfangen?“

AK: Hans – Und Du? Welche Schauspielerin gefällt Dir gut? Über welches Thema würdet Ihr gerne mal schreiben – welches Drehbuch?

Hans: „Claudia Michelsen beeindruckt mich immer wieder durch ihre Präsenz, egal welche Rolle sie gerade spielt. Das ist Schauspielkunst vom Feinsten!
Ein Freund hat uns mal auf die Spur von Khalil Gibran gesetzt, den wir bis dahin nicht kannten. Dieses verrückte Leben des großen Dichters, Denkers und Frauenliebhabers würden wir gerne verfilmt sehen – natürlich mit einem Drehbuch von uns.

Für die umfangreichen Recherchen und Vorarbeiten bräuchte es allerdings mindesten ein ‘Sabbatjahr’, in dem wir unsere anderen Arbeiten brach liegen lassen können. Den Sponsor hierfür haben wir noch nicht gefunden, aber es gibt ihn, da sind wir uns ganz sicher…“

AK: Möchtet Ihr Euch zu neuen Projekten äußern?

Hans:  Sorry, aber wir dürfen zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine inhaltlichen Aussagen zu den Projekten machen, da sie noch nicht in ‚trockenen Tüchern‘ sind. Erzählen dürfen wir erst bei Drehbeginn – und dann schicken Sender und Filmproduktion eine Pressemitteilung raus. Für uns Autoren heißt es: „Schweigen ist gold…“

AK: Vielen Dank für das ausführliche Interview.

Das Interview führte Astrid Korten
Redaktion Kultur

www.astrid-korten.com

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