Die “Teilzeitfalle” – sie schnappt viel zu oft noch zu. Und lässt zudem viele Frauen, die eigentlich gern wieder Vollzeit arbeiten wollen, beruflich auf der Stelle treten.
Brunhild Fischer (links im Bild), Geschäftsführerin des SHIA e. V. Landesverband Sachsen, der sich für Alleinerziehende und Familien in schwierigen Lebenssituationen einsetzt, macht das wütend. Auch weil – wie sie meint – die Gewerkschaften hier noch viel zu wenig tun. Sie warnt eindringlich vor der Altersarmut, die Frauen, die in die “Teilzeitfalle” getappt sind, definitiv ereilen wird.
Fischer, die auch Musikerin ist und seit über 20 Jahren als eine der aktivsten Verfechterinnen für eine gerechte und faire Frauen- und Familienpolitik im mitteldeutschen Raum gilt, macht im Interview deutlich, wie sehr sie es ärgert, dass Politik und Wirtschaft noch immer nicht frauengerecht agieren. Lesen Sie selbst:
FP: Wenn ein Mann in Teilzeit arbeitet, überschlagen sich manche Medien vor Freude und Beifall, oft wird diese Entscheidung regelrecht gefeiert. Der „Glamour“-Faktor weiblicher Teilzeit-Arbeit aber geht gegen Null. Was läuft schief in der bundesweiten Arbeitswelt?
BF: Nicht nur in der bundesweiten Arbeitswelt, sondern in aller Welt… ! (lacht) …ob im Privaten oder im Gesellschaftlichen: Leistungen von Frauen finden – ich möchte fast sagen: grundsätzlich – keine Anerkennung!
Denn es ist selbstverständlich, dass Frauen ALLES können, ALLES machen und selbstverständlich auch noch verantwortungsbewusst die Familienarbeit erledigen, die eigenen Kinder erziehen und dazu noch die Pflege von Schwiegervater übernehmen!
Dabei sollen sie schön, sauber, angenehm und adrett, anspruchslos und liebevoll daher kommen, denn Frauen mit den Forderungen nach einem Recht auf ein existenzsicherndes Einkommen, auf ein Alter ohne Armut, auf gleichen Lohn bei gleicher Arbeit oder gar auf Teilzeitarbeit bei vollem Lohnausgleich, um der Menge der Verpflichtungen beim Thema der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gerecht werden zu können, stören!
Es geht um Parität, um Gleichberechtigung und Chancengerechtigkeit – und das heißt immer:
ich muss mein eigenes Verhalten abfragen, meine Gegenüber wahrnehmen, Bedürfnisse anderer in den gemeinschaftlichen Kontext stellen, ausgleichen und dann eventuell noch teilen oder sogar abgeben!
Das ist für viele, sehr viele Menschen – vor allem auch für die Männer – ein sehr, sehr großes Problem…
FP: Wie oft hören Sie von Frauen, die Mutter geworden sind, dass der Teilzeit-Job auch das Aus für die berufliche Laufbahn, den Aufstieg im Job, bedeutet?
…vor allem ist es der Abstieg in die Armut! In Teilzeit arbeitend, erhalten sie weniger Lohn, haben also aktuell ein geringeres Einkommen als andere und sind schon allein deshalb ärmer als andere. Und schließlich macht sich das natürlich auch in der Rente bemerkbar, die ja anhand der Höhe ihres Einkommens und nicht anhand ihrer Lebensleistung berechnet wird.
Schauen wir dann noch lustigerweise in die Steuerpolitik – wird das gesamte Ausmaß des „Dilemmas Frau“ offenbar: sind Sie verheiratet und in Teilzeit beschäftigt – also für ein geringeres Entgelt tätig – werden sie selbstverständlich als die Geringverdienerin in ihrer Ehe auch in Steuerklasse IV besonders hoch besteuert. Was bedeutet: ihr Mann erhält Steuerklasse III und sein Einkommen wird auf Grund dass er mit Ihnen verheiratet ist, und nicht auf Grund seiner riesigen Arbeitsleistung, weit geringer versteuert als das ihrige und er so „naturgemäß“ noch mehr Einkommen „zusteht“ als Ihnen…
Sind sie gar Alleinerziehend, wird ihr Einkommen sogar fast so hoch wie das eines Singles besteuert, also eines Menschen, der völlig unabhängig von familiären, sozialen und gesellschaftlichen Pflichten arbeiten und Karriere machen und hohe Einkommen erzielen kann und deshalb auch steuerlich bedeutend leistungsfähiger ist als Sie.
Natürlich bedeutet „in Teilzeit beschäftigt“ auch, nicht in allen betrieblichen Netzwerken unterwegs zu sein, was beim Aufstieg in besser bezahlte Positionen oder gar in Chefetagen – naja, heißt ja auch Chef-Etagen und nicht Chefinnen-Etagen -, ausschlaggebend sein kann.
Und das Vorurteil, in Teilzeit kann nicht ebenso gute und qualitätsvolle Arbeit wie in Vollzeit geleistet werden, ist auch immer wieder präsent…!
FP: Was macht Teilzeit für Arbeitgeber attraktiv?
BF: Eine lustige Bemerkung: Beschäftigte in Teilzeit verdienen weniger als Vollzeitbeschäftigte, arbeiten aber trotzdem meist mehr als ihre reguläre Arbeitszeit vorgibt, um allen Arbeitsaufgaben gerecht zu werden – also der Arbeitgebende muss weniger Lohn und Sozialabgaben zahlen aber verdient mit diesen Mitarbeiter_innen eventuell noch mehr.
Grundsätzlich:
Arbeitgebende müssten sich einfach mal überlegen, ob und wie sie die Arbeitssituation ihrer Mitarbeitenden menschenwürdig und familienformgerecht gestalten wollen und können, und welchen Vorteil sie und ihre Unternehmen von Beschäftigten hätten, die Arbeits- und Lebenssituation gelingend unter einen Hut bekommen.
Es gibt Studien zum Thema, die die Vorteile für Wirtschaft und Gesellschaft ganz offen auf den Tisch legen. Leider ist das Bewusstsein in dieser Richtung nicht vorhanden, und das ganz sicher auch deshalb, weil die Unternehmen wie die Politik, von den Betroffenen, den Alleinerziehenden, den Eltern, den Pflegenden nicht dazu gezwungen werden.
Hier ist politischer Handlungsbedarf ohne Ende! Schauen wir uns jedoch die Akteure auf diesem Spielfeld an, sind diese leider von dem Thema zumeist nicht betroffen oder sehr weit entfernt, denn unter ihnen sind kaum Frauen, Mütter oder alleinerziehende Väter.
Und selbst in einer Gewerkschaft wie ver.di – mit einem Anteil von 51% Frauen als Mitglieder – ist das Thema familiengerechte Arbeitszeiten, Lebensarbeitszeitkonten, Teilzeitarbeit bei vollem Lohnausgleich oder Rentengerechtigkeit in den allgemeinen politischen und tarifpolitischen Forderungen noch lange, lange nicht angekommen.
FP: Wie kommt es, dass Frauen oft Schwierigkeiten haben, von der Teilzeit wieder in die Vollzeit zu gehen? Wer ist hier der Bremsklotz?
„Einmal raus – immer raus“ – ist doch auch ein schönes Sprichwort für diese Situation!
Wenn sie erst einmal aus dem Berufs- und Firmenalltag raus sind und wirklich auch was anderes zu tun haben, nämlich: sich um sich selbst und ihr neugeborenes Kind oder ihren zu pflegenden Angehörigen zu kümmern und keine betrieblichen Strukturen vorhanden sind, innerhalb derer sie sich weiterbilden können, um auf dem jeweils aktuellen Stand der Firma zu bleiben oder den Kontakt zu ihren Kolleg_innen ihrer Firma halten und pflegen können, ist es natürlich schwieriger, wieder einen schnellen und unkomplizierten Einstieg zu schaffen und zu bewältigen. Neben eben all den hinzugekommenen, familiären Verpflichtungen…
FP: Was macht es mit einem Frauen(Arbeits)Leben, wenn Teilzeit lange Jahre ein Bestandteil der beruflichen Tätigkeit ist?
Ganz klar: Teilzeit bedeutet aktuelle Armut – aber besonders heimtückisch, weil nicht gleich sichtbar: Teilzeit bedeutet immer Altersarmut! Teilzeit macht Arm!
Die ganze Gesetzgebung ist darauf ausgerichtet, Menschen, die sich der familiären Verantwortung nicht entziehen – und das sind nun mal leider die Frauen, zu benachteiligen und systematisch arm zu machen. Von einer Gleichberechtigung oder Gleichbehandlung der Geschlechter kann leider in Deutschland überhaupt nicht die Rede sein.
FP: Welche Tipps zur Umgehung der Teilzeitfalle empfehlen Sie persönlich anderen Frauen?
Als erstes, sich genau zu informieren, was bedeutet die Teilzeit in Bezug auf mein aktuelles Leben und meine Lebenslaufperspektive?
Also: was bedeutet das für mich finanziell jetzt und in der Zukunft und was bedeutet das für meine weitere Berufslaufbahn und wiederum verbunden mit meinem Einkommen – hier gilt es, sich dann klar zu entscheiden!
Meine Empfehlungen gehen vor allem auch dahin, die familiäre Verantwortung und die Lasten auf viele Schultern zu verteilen, denn nicht Sie als Mutter – oder auch als Vater – sind alleine (hier kann man es ja auch mal beim Namen nennen) für die Zukunftssicherung unsres Landes zuständig, sondern die gesamte Gesellschaft!
Kinder sind keine Privatsache, sie sind unser aller menschliches, höchstes Gut – und deshalb sind wir auch alle verantwortlich – und dazu gehören in erster Linie die Politiker_innen und die Wirtschaft, schlussendlich die gesamte Gesellschaft.
Und im weiteren heißt das, sich immer ganz klar zu Positionieren und nach Möglichkeit zu engagieren, das heißt vor allem, Politiker_innen zu zwingen, sich der Situation von Frauen zu stellen und hier endlich die Gesetzte auf den Weg zu bringen, die für Gerechtigkeit zwischen Frau und Mann sorgen.
Das ist aktuell leider nicht der Fall und es ist auch noch keine Änderung in Sicht.
FP: Mit der Veranstaltung „Wirtschaftssozialgespräche – familiengerechte Arbeitszeitmodelle“ haben Sie in den letzten beiden Jahren bereits glasklare Forderungen an die Politik kommuniziert (Frauenpanorama berichtete hier https://frauenpanorama.de/alleinerziehenden-verband-shia-bringt-familien-und-politiker-einen-tisch/)
BF: Ja, unserer Ergebnisse und Forderungen sind klar und eindeutig (siehe hier: http://www.shia-sachsen.de/arbeitszeitmodelle/ und hier wollen wir weiter anknüpfen, einen Termin im Wirtschaftsministerium haben wir bereits in Aussicht.
FP: Sehen Sie derzeit in der politischen Landschaft Ansätze, dass sich was ändert?
Nein leider nicht. Zwar sprechen wir in den verschiedensten Gremien darüber und es werden auch allerorts die verschiedensten Veranstaltungen durchgeführt, allerdings bleibt es dann doch meist beim Alten, nicht einmal Lippenbekenntnisse bekommen Sie! Neue Gesetzte sind außerhalb jeglicher Sicht, wie eben auch die Gewerkschaften diesbezüglich überhaupt keine klaren und unmissverständlichen Forderungen stellen – leider!
Vielleicht regt dieser Artikel ja auch mal die diesbezüglich Verantwortlichen – die Gewerkschaften – dazu an, Farbe zu bekennen und endlich in die Spur zu gehen!
Mehr zu Brunhild Fischer unter http://www.shia-sachsen.de/ und http://www.brunhild-fischer.de/index.html
Bildnachweis: Brunhild Fischer