„Die Sprache ist die Kleidung der Gedanken“ (Samuel Johnson), die Buchhandlung die Heimat der Bücher und die Buchhändlerin Rebekka Remer nennt sie “meine Welt”.

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Liebe Leserinnen und Leser,

der Buchmarkt verändert sich ständig. Wie reagiert der Buchhändler auf diese Veränderungen? Ich habe in diesem Zusammenhang Rebekka Remer, die sympathische Geschäftsführerin der Buchhandlung Herr GmbH, einige Fragen gestellt.

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Signierstunde Beate Caglar und Nele Neuhaus

Mit Rebekka Remer ist die Buchhandlung Herr GmbH in Kelkheim (übrigens der Heimatort von Nele Neuhaus) in die zweite Generation übergegangen. Frau Remer hat diesen Schritt bis heute nicht bereut. “Es sei die beste Entscheidung ihres Lebens”, sagt sie im Interview. Ihr Leben als Buchhändlerin ist spannend und abwechslungsreich. Unordnung macht sie hibbelig. Ihre beste Lesezeit ist Sonntagmorgens mit Kaffee im Bett, bis Highnoon und weiter bis Mitternacht. Leidenschaft hält sie vielleicht eher aus dem  Berufsleben raus, sie orientiert sich da frei an Mark Twain: Alles was wir gerne tun, macht dick, ist krebserregend oder unmoralisch. Viel Vergnügen beim Lesen dieses interessanten Interviews mit der jungen Buchhändlerin.

Ihre Astrid Korten

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Rebekka und Brigitte Remer

AK: Seit wann existiert Ihre Buchhandlung?

Das Geschäft existiert seit 1974, unsere Familie führt den Laden seit 20 Jahren

AK: Drei Begriffe, die die Buchhandlung Herr beschreibt?

unkompliziert, offen, ehrlich

 AK: Was macht Lust auf das große Abenteuer Lesen?

Die Möglichkeit andere Welten zu entdecken, in andere Rollen schlüpfen zu können, neue Perspektiven wahrzunehmen und mit den Helden Herausforderungen zu meistern, die man selbst vielleicht nicht nähme.

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AK: Gibt es für Sie einen Lieblingsverlag?

Ich glaube, da muss ich passen, es gibt so viele wunderbare Bücher und Verlage… und immer wieder ist jemand in der Lage etwas ganz Besonderes zu veröffentlichen.

AK: Gibt’s ein Lieblingsgenre der Kelkheimer Leser?

Die moderne Gegenwartsliteratur wird gerne bei uns gekauft, der Schmöker für die Frauen und jede Menge Kinderbücher.

AK: Nach welchen Kriterien kaufen Sie ein?

Freude, Neugier und aber auch bei den Bestsellern das Verkaufspotential im Blick, klingt schnöde, ist aber so.

laden-2AK: Wie präsentieren Sie Bestseller?

Da wir mit den Bestsellern unser Geld verdienen, präsentieren wir sie auch entsprechend breit. Mal bekommen sie ein Schaufenster gewidmet, mal besonders viel Verkaufsfläche im Laden. Es gibt immer den kleinen Konflikt zwischen persönlicher Liebhaberei und verkaufsstarken Titeln. Mal gewinnt die eine, mal die andere Seite.

AK: Was erwarten Sie von Verlagen?

Persönliche Ansprache, ohne dass ich das Gefühl habe, mir wird etwas angedreht.

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Lesung mit Olaf Jahnke

AK: Was von Autoren?

Wir unterstützen mit Freude unbekannte AutorInnen, geben jedem gerne eine Chance. Schwierig wird es, wenn von den Autoren keine Eigenleistung eingebracht wird. Da noch kein Meister und erst Recht kein Bestseller vom Himmel gefallen ist, freuen wir uns, wenn die Autoren ihre Bücher auch selbst bewerben.

Dadurch entsteht ein freundliches Miteinander und Füreinander und das ist für beide Seiten positiv.

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Lesung Gerd Taron

AK: Nach welchen Kriterien suchen Sie Autoren für Lesungen aus?

Unsere Veranstaltungen dienen bisher zum größten Teil der Förderung unbekannter Autoren, sodass sich unsere Auswahl nach dem netten Kontakt zwischen Autor und Buchhandlung richtet.

AK: Verkaufen Sie neben Printausgaben auch Ebooks?

Ja, wir verkaufen auch ebooks und freuen uns auch in dieser Hinsicht Kundenbindung herstellen zu können. Wir sehen keinen Sinn darin ein „entweder – oder“ zu verfolgen. Wir mögen das Buch, wir mögen die Leser und wie sich jemand entscheidet zu lesen ist zweitrangig.

 AK: Schon mal selbst daran gedacht ein Buch zu schreiben?

Oh nein, das Schreiben überlasse ich denen, die es können…!

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Büchertisch Lesung Benedict Wells gemeinsam mit Kollegin Petra Schönwetter

AK: Welches Genre lesen Sie am liebsten? Warum?

Um ehrlich zu sein, habe ich persönlich Phasen in denen ich bestimmte Genre lese. Wochenlang verschlinge ich ein Jugendbuch nach dem anderen, dann wieder Krimis oder Romane. Zwischendrin hier und da einen Sachtitel, dann aber meist etwas Zeitgeschichtliches oder Politisches.

AK: Sind Sie online aktiv? Wo?

Wir pflegen einen online-shop www.buchhandlung-herr.de und auf facebook sind wir auch aktiv.

AK: Wie schätzen Sie die Zukunft des klassischen Buchhandels ein?

Diese Frage ist eine der Grundlegendsten überhaupt. Als junge Einsteigerin, die erst nach und nach Erfahrung sammelt und ein Profil entwickelt, strebe ich nach eben dieser Antwort. Unsere Buchhandlung geht mit mir in die nächste Generation des Familienbetriebs und ich möchte diesen Charakter auf der einen Seite beibehalten, zeitgleich aber auch zukunftsorientiert und innovativ handeln.

Trotz allen Widrigkeiten glaube ich an den klassischen Buchhandel und verwehre mich den düsteren Prognosen. Buchhandlungen sind wunderbare und besondere Orte und ich denke, die Menschen wissen das.

aussen1AK: Was halten Sie von der Entwicklung des Buchmarktes?

Nun, das ist natürlich auch nicht so leicht. Einige Dinge missfallen uns, wie z.B. die nachlassende Qualität des Materials bei Büchern, der schier unübersichtliche und kaum zu bewältigende Sturm an Neuerscheinungen, die damit in Verbindung stehende Geschwindigkeit in der sich das Sortiment drehen muss um Schritt zu halten. Auch die Preisgestaltung ist für uns problematisch. Gefühlt sind Bücher, seit der Einführung des Euro im Preis nicht oder kaum gestiegen, wohingegen der Rest der Kosten erheblich gestiegen ist. Momentan erleben wir allerdings hier und da eine Preisanpassung, auch eine Glättung der 0,99er-Preise, was uns hoffen lässt.

Alles in Allem ist es aber einfach eine schöne Branche in der ein guter Umgangston vorherrscht.

aussen2AK: Was muss ein Buchhändler tun, um erfolgreich zu sein?

Ich glaube, man muss andere Maßstäbe als in anderen Branchen anlegen. Die Freude und Begeisterung für das Buch und den Beruf muss an erster Stelle stehen. Des Weiteren setzt man sich dafür ein, dass ein Geschäft als Teil der Stadt und als Arbeitsplatz erhalten bleibt. Die monetäre Entlohnung ist nicht im Begriff „Erfolg“ angesiedelt. Also immer schön gelassen bleiben – ist nicht immer ganz einfach…!

AK: Was sollte ein Verlag für einen Buchhändler tun?

Seid nett zu uns, übervorteilt uns nicht, lasst uns an euren Geschäften teilhaben.

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Büchertisch Lesung Bodo Kirchhoff

AK: Wie stehen Sie zum Selfpublishing?

Selfpublishing ist ein zweischneidiges Schwert. Wir haben sehr gute und sehr schlechte Erfahrungen mit Selfpublishern gemacht. Es kommt ganz stark auf die Erfahrung an, die der Autor bisher gesammelt hat und ob dieser ein Verständnis für die Eigenheiten des Buchhandels hat. Wird das Buch als Ware betrachtet, als Weg zum Erfolg, zum Reichtum, dann wird’s haarig. Denn mit Schreiben allein verdient man kein Geld, wenn doch, hat man sehr viel Arbeit, Geld und Nerven investiert und obendrauf eine unwahrscheinlich große Menge Glück gehabt.

Doch einigen Autoren fehlt die Demut und dann fängt man als Buchhändler an, Selfpublisher auf den Mond schießen zu wollen.

AK: Was treibt Sie auf die Palme?

Selfpublisher ohne Demut.

AK: Betreiben Sie eine Webseite?

Ja: Buchhandlung Herr GmbH

AK: Besuchen Sie die Frankfurter Buchmesse. Was machen Sie da genau?

Auf der Buchmesse gehe ich spazieren. Genieße die Vielfalt, die Kreativität, entdecke Neues, treffe Menschen. Aber ich bin keine sehr gute Networkerin.

AK: Nach welchen Kriterien beurteilen Sie persönlich ein Buch, wenn Sie eine Empfehlung aussprechen?

Ich stelle mir die Frage, passt das Buch zu meinem Kunden? Was wünscht sich mein Kunde in diesem Moment in einem Buch zu finden? Besonders schön ist es für uns Buchhändler wenn ein Kunde einem vertraut und persönliche Empfehlungen annimmt.

AK: Wie riechen Bücher?

Mal ganz wunderbar, aber manche stinken.

 AK: Welches Buch ist schon mal gegen die Wand geflogen?

Um ehrlich zu sein keines, aber manches mal hätte ich mir soviel Temperament gewünscht.

AK: Musik beim Lesen?

Ja, wenn es Text und Stimmung zulassen.

AK: Essen oder Trinken zur Lektüre?

Immer gerne – meist Kaffee

AK: Gibt es einen Klassiker, der Sie völlig kalt gelassen hat?

Da fällt mir gerade nichts ein, aber gerade habe ich „Der alte Mann & das Meer“ zum ersten mal gelesen. Ich war völlig von den Socken. Und dann fragt man sich immer „wieso hab ich das nicht schon viel früher gelesen??“ Aber ich schätze, Klassiker, die einen kalt lassen, legt man weg und vergisst sie einfach wieder.

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Büchertisch Lesung Rita Falk

AK: Lieblingsautoren?

Da muss ich leider passen. Vielleicht ist das komisch… Wenn mich ein Buch tief berührt und meine Welt erschüttert, habe ich fast schon Angst ein weiteres Buch des gleichen Autoren oder der gleichen Autorin zu lesen, aus der Befürchtung heraus, es könnte seinen Zauber verlieren. Es ist vielmehr so, als würde das Buch zu mir sprechen, denn der Autor. Jedes großartige Buch hat seinen ganz persönlichen Moment, der es zu dem perfekten Buch werden lässt.

AK: Welche Vorsätze haben Sie für 2017?

Mehr Gelassenheit, siehe den Punkt „Was muss ein Buchhändler tun, um erfolgreich zu sein?“ Vielleicht auch ein bisschen mehr Networking in der Branche, man hört ja, das schadet nicht.

AK: Was braucht Ihrer Meinung nach ein Roman, um zu einem Bestseller zu avancieren?

Glück und ein gutes Marketing.

AK: Wie sieht Ihr perfekter Tag aus?

Der perfekte Tag… hmmm. Er beginnt definitiv mit einem Kunden der im Regal seinen heißersehnten Roman findet und als glücklicher Mensch aus dem Laden geht. Solche Momente sind Gold wert. Für diese Momente lebt man als Buchhändler. Dann verkauft man im Laufe des Tages einen seiner besonderen (und auch besonders teuren) Bildbände, was nur allzu selten vorkommt. Als Höhepunkt findet ein Ladenhüter einen Leser oder eine Leserin. Es sind einfach diese Momente in denen DAS EINE Buch DEN EINEN Leser findet – das ist Perfektion. Hach, ich schwelge…! Ach, als Sahnehäubchen hat man eine komplizierte antiquarische Recherche zu Ende geführt und alle beteiligten sind glücklich

AK: Welche Illusion lassen Sie sich nicht nehmen?

Es ist keine Illusion, Erfolg nicht an monetäre Entlohnung zu knüpfen. Dieser Beruf macht glücklich.

AK: Wann wurden Sie das letzte Mal angenehm überrascht?

Es gibt keinen Tag, an dem ich keine angenehme Überraschung habe. Mal sind es kleine, fast nebensächliche Begegnungen, mal größere, Weitreichendere. Aber doch, eigentlich jeden Tag.

AK: Was möchten Sie den Menschen in Kelkheim gerne sagen?

Danke, und zwar ganz ehrlich.

Links zur Buchhandlung Herr: Webseite


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