Diplom-Psychologe Dr. Dirk Baumeier im Interview
Diplom-Psychologe Dr. Dirk Baumeier im Interview

Single-Frust in der kalten Jahreszeit: Gerade Singlefrauen – das zeigt sich auch in unserem Freundinnen-Umfeld – hadern in den Vorweihnachtsmonaten sehr damit, keinen Partner zu haben.

Allerdings – hört man sich wiederum die Probleme und Sorgen gebundener Frauen an, ist auch dort kaum “eitel Sonnenschein”. Das perfekte Leben führt wohl kaum jemand, ganz klar.

Psychologe gab Statement in Sachen Treuetestportal

Da aber Liebeskummer, Untreue, das Singleleben und die oft unverbindlichen Kontakte im Netz bei vielen Frauen präsent sind, haben wir mal beim Experten nachgefragt, wie seine Sicht auf die Dinge ist. Mit Herrn Dr. Baumeier hatten wir kürzlich im Rahmen eines RTL-Beitrages Kontakt, wo er zum Portal damaligen Portal wen-datet-er-noch.de um ein Statement gebeten wurde.  Das gab Anlass zu einigen Fragen.

FP: Herr Dr. Baumeier, wie hoch ist der Anteil der Frauen, die aufgrund von Partnerproblemen und / oder Liebeskummer zu Ihnen kommen?

DB: Das gewöhnliche biologische Geschlechterverhältnis – zur Häfte Männer, zur Hälfte Frauen, mit einem leichten Überhang in Richtung Frauen – spiegelt sich auch in der Psychotherapie wider. Beide Geschlechter nehmen sie in Anspruch. Da wir als biologische Wesen im Regelfall die Nähe des anderen Geschlechts suchen, spielen partnerschaftliche Themen bei fast jedem Menschen eine große Rolle. Menschen, die psychotherapeutische Hilfe beanspruchen, haben fast zu 100 % (auch) partnerschaftliche Probleme, die zur Sprache kommen.

Diplom-Psychologe: Depression bedeutet nicht Traurigkeit

FP: Man hört häufig davon, dass Frauen, denen in der Partnersuche wieder und wieder Pech widerfährt, oftmals unter Depressionen oder depressiven Phasen leiden. Ist dem so und wenn ja, wie kommt man da wieder raus?

DB: Depression bedeutet nicht Traurigkeit, sondern innere Leere. Sie kommt dadurch zustande, dass jemand nichts nimmt – auch nicht mehr das Schöne im Leben – und dadurch innerlich leer bleibt. Besonders Frauen neigen dazu, in Partnerschaften viel zu geben.

Sie besitzen zwar eine hohe Anpassungsfähigkeit an die vermeintlichen Bedürfnisse ihrer Männer, haben aber Schwierigkeiten, von ihnen wirklich etwas anzunehmen. Sobald der Mann einmal lieb war, gibt die betreffende Frau sofort wieder etwas Liebevolles zurück – oft viel mehr als sie bekommen hat. Das Ungleichgewicht von Geben und Nehmen wird dadurch immer größer. Nun greifen zwei psychologische Gesetzmäßigkeiten: Wer vorrangig nimmt, dem will man irgendwann nichts mehr geben. Und: Wer vorrangig gibt, von dem will man irgendwann nichts mehr bekommen.

Fremdgeher geben in Affäre mehr

Wenn also der eine Partner immer für den anderen da ist, für ihn kocht, vielleicht ihm sogar materiell hilft usw., dann hat der Nehmer das Gefühl, dass er nicht mehr adäquat ausgleichen kann. Er sucht sich dann einen neuen Partner / eine neue Partnerin, bei dem er einmal der Gebende sein kann. Wenn ein Mann zum Beispiel fremdgeht, dann unterscheidet sich seine Affäre in einem zentralen Punkt von seiner bestehenden Partnerschaft: In der Affäre ist er derjenige, der mehr gibt, wohingegen er sich in seiner bestehenden Partnerschaft eher als der Nehmende/Empfangende empfindet.

FP: Was hat sich aus Ihrer Sicht in Sachen Liebe, Partnerschaft und Trennung seit dem Dasein des digitalen Zeitalters verändert?

DB: Digital geknüpfte Verbindungen sind unverbindlicher. Durch die virtuelle Ausweitung des Freundes- und Bekanntenkreises haben wir das Gefühl, wir könnten uns erlauben, schneller Beziehungen einzugehen und zu lösen. Zudem verschaffen uns soziale Netze die Illusion, wir seien wichtig und für andere Menschen interessant. Das Selbstbewusstsein steigt – und mit ihm die Egoismen. Insofern sind moderne Medien bislang viel zu kommunikativ interpretiert worden. In Wirklichkeit geht es vorrangig gar nicht um Kommunikation, sondern um Selbstinszenierung und narzisstische Belohnung.

FP: Sie bieten auch Paartherapien an, wie oft geht es um Untreue?

DB: Bei etwa einem Drittel der Partnerschaftskonflikte spielt eine dritte Person eine Rolle.

FP: Häufig hört man den Ausspruch „Untreue kann eine Chance für die Beziehung sein“ – ist dem so“?

Untreue bietet keine Chancen für Partnerschaft

DB: Untreue bietet im Regelfall keine Chancen für die bestehende Partnerschaft, sondern bedeutet zumeist das völlige Aus. Auch Partnerschaften, bei denen beide sich gewissermaßen eine “Offenheit nach außen” erlauben, haben mit Eifersucht zu kämpfen. Dies liegt darin begründet, dass Untreue zum einen unser Leben unnötig verkompliziert. Zum anderen scheint sie unserem biologischen Naturell nicht zu entsprechen. Der Homo sapiens ist vermutlich von seiner Ausstattung her “seriell monogam”. Das heißt, es kommt uns zu, einem Menschen eine Zeitlang treu zu sein und danach einem anderen Menschen eine Zeitlang treu zu sein. Polygamie berührt nicht unseren Kern.     

FP: Einen passenden Partner zu finden ist heutzutage – trotz der vielen Angebote, von Singlebörsen über Dating-Events – nicht einfach. Viele Frauen, gerade ab 35 oder 40plus, belastet das. Was können Singlefrauen dagegen tun, wenn ihr Singledasein sie psychisch „runter zieht“ – gerade jetzt, in der dunklen Jahreszeit? 

DB: Viele unglückliche Single-Frauen sind sehr überrascht, wenn ich ihnen mitteile, dass es genau so viele unglückliche Single-Männer gibt. Die deutschen Städte sind voll von Suchenden. Männer begehren keine Popstars oder Supermodels, sondern ganz normale Frauen. Ebenso suchen Frauen im Regelfall ganz normale Männer.

Insofern liegt das volle Leben direkt vor unseren Füßen.

http://www.baumeier.de/

Bildnachweis: Dr. Dirk Baumeier

Ein Gedanke zu „„Das volle Leben liegt vor unseren Füßen“ – Diplom-Psychologe Dr. Dirk Baumeier im Interview“
  1. Ich finde es sehr interessant, dass die Anzahl der Frauen und Männer, die eine Psychotherapie in Anspruch nehmen in etwa ausgeglichen ist. Immerhin kenne ich selbst mehr Frauen, die eine Therapie machen, obwohl ich auch viele Männer kenne, die eine nötig hätten. Leider sehen viele eine Therapie noch immer als persönliche Schwäche an, weshalb auch kaum einer sein Kind bei Problemen zum Psychologen schickt.

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