Einen guten Job haben, eine Leitungsfunktion mit Verantwortung ausüben – das wünschen sich viele Menschen und gestalten ihre Karriere darauf hin. Nicht selten aber erleben sie – wenn sie dann die gewünschte Position erklommen haben – dass nicht der Traumjob wartete, sondern ein kaum still stehendes Hamsterrad.

So erging es einer jungen Frau – Damaris (im Bild) – in der Blüte ihres Lebens. Mit einem interessanten Job und Verantwortung ausgestattet, machte sie Karriere und verdiente gut. Ihr Leben indes blieb auf der Strecke, der Beruf hatte sie täglich fest im Griff, Zeit für Hobbies, Muße und Freunde war kaum mehr gegeben.

Erst als ihr Körper ihr signalisierte, dass es so nicht weitergehen kann, stieg Damaris aus der stressigen Jobmühle aus – und orientierte sich völlig neu.

So reiste sie nach Schweden und lernte das Land kennen. Alles ohne viel Geld, denn sie  bot Einheimischen ihre Hilfe an und bekam dafür ein Dach über den Kopf und Lebensmittel. Dieses Lebensgefühl faszinierte sie so sehr, dass sie beschloss, sich nur noch den Dingen zu widmen, die sie mit Zufriedenheit und Freude erfüllen.

Für Damaris sind das in erster Linie das Schreiben und die Fotografie.

Im Herbst dieses Jahres soll ihr Buch „Mit 30 fängt das Leben an“ herauskommen, ein Crowdfunding-Projekt dazu läuft aktuell und einen Blog dazu gibt es schon. Wir haben Damaris zu ihrem Job-Ausstieg, dem Leben danach und zu ihren aktuellen Projekten befragt.     

FP: Damaris, Du hast jahrelang im Marketing gearbeitet – was genau hast Du da gemacht?

Ich war erst jahrelang auf nationaler und internationaler Ebene Marketing-Administratorin. Ich organisierte jede Menge Events und Meetings, übernahm sämtliche organisatorische Aufgaben und leitete eigene kleine Projekte. Irgendwann ergab es sich, dass ich mit einigen Kolleginnen ein Team für ein Start-Up bildete.

Wir kümmerten uns um alles, was zu einem Unternehmen dazu gehört. Von der Namensentwicklung der Marke bis hin zu sämtlichen Produkten, von der Erstellung des Online-Shops bis hin zur Warenbeschaffung und Erfassung. Die Aufzählung könnte noch ewig weitergehen, denn um ein eigenes kleiner Unternehmen zu führen gehört eine ganze Menge dazu. Vor allen Dingen, wenn es sich um den Vertrieb von Lebensmittel handelt. Es hat trotz der vielen Aufgaben und Herausforderungen horrenden Spaß gemacht!

FP: Wann kamst Du in dieser Branche an den Punkt, wo Du dachtest, dass es nicht mehr geht?

Nach und nach wollten sich meine Kolleginnen weiterentwickeln, was im Marketing nach zirka zwei Jahren auf einer Stelle so üblich ist. Ich selber war mit meiner Entwicklung sehr zufrieden, da ich eine Menge Verantwortung hatte. Aber ich konnte auch meine Kolleginnen gut verstehen, da sie mit ihren Ideen, Bitten und Forderungen in der Chef-Etage nicht mehr weiterkamen. Nun ging eine Kollegin nach der anderen. Leider kamen aber keine neuen Kollegen nach.

Somit füllte ich nach einiger Zeit drei Vollzeit-Stellen und hatte Mitarbeiterverantwortung für die Produktionskräfte, Praktikanten und Zeitarbeiter. Ich wusste irgendwann nicht mehr wo Vorne und Hinten war und mein Körper signalisierte mir auf sämtlichen Wegen, dass ich am Rande meiner geistigen und körperlichen Kräfte angekommen war. Auf meine Bitte, mir Unterstützung in Form von qualifiziertem Personal zu geben, bekam ich nur negative Resonanz aus der Chef-Etage.

Es musste also eine Entscheidung meinerseits getroffen werden.  

FP: Was kam dann?

Nach einer Menge Migräne-Anfällen, Herzrasen und schmerzhaften Herz-Stichen, brach ich eines Tages nach einem sehr unzufrieden stellenden Meeting mit meinen Chefinnen zusammen. Mein Körper gab auf. Die Betriebsrätin, die mit in dem Gespräch gesessen hatte, bekam diesen Zusammenbruch mit und riet mir, mich krankschreiben zu lassen. Erst wollte ich diesen Schritt nicht gehen, weil ich wusste was zum Monatsende alles auf der To-Do-Liste stand, aber auf ihren ausdrücklichen Hinweis, dass ich vielleicht beim nächsten Zusammenbruch nicht mehr so schnell aufstehen würde, nahm ich den Rat ernst.

Ich ließ mich krankschreiben, suchte  mir einen neuen Job, kurierte mich aus und legte dann nach einigen Wochen in der Personalabteilung meine Kündigung vor.

Allerdings wiederholte sich in meinem neuen Job dann alles. Meine Kolleginnen um mich herum kündigten, bis ich die Abteilung alleine darstellte. Mein Entschluss stand fest. Den Fehler machte ich nicht noch ein Mal.

Ich kündigte also auch diesen Job. Dieses Mal, ohne einen neuen zu haben!

FP: Wie ließ sich die Ungewissheit aushalten? Immerhin ist es heutzutage schon sehr riskant, den Job zu kündigen, ohne was Neues zu haben. Oder hat Dich das eher nicht tangiert?

Letzteres. Es gab für mich keine Ungewissheit. Alles was es gab war die Gewissheit, dass nun erst mal alles in meinem eigenen Tempo laufen würde und dass ich FREI war. Ich hatte auf ein Mal eine Art Urvertrauen. Ich musste mich lediglich auf mein Schicksal und auf mich selbst verlassen. Darauf, dass ich auf mich achtgab und meine Gesundheit nie wieder aufs Spiel setzte – und somit auch mein Leben.

Zudem war für mich wichtig zu begreifen, dass das Leben nicht aufhört, nur weil man keinen Job mehr hat oder weniger Geld. Das Leben fängt erst an, wenn man aufhört sich ständig von irgendwelchen Dingen (z.B. Geld) oder Menschen abhängig zu machen.

FP: Wie hast Du dann in dieser Zeit gelebt – wovon hast Du Dich ernährt, wie die alltäglichen Dinge bezahlt?

Nachdem ich alles gekündigt und verkauft hatte, gab es auf meinem Konto ein Polster. Ich hätte davon bis zu 3 Jahre in Schweden bleiben können. Allerdings nicht, indem ich irgendwo Miete hätte zahlen müssen, sondern in einer Konstellation, die sich „Urlaub gegen Hand“ nennt.

Ich bin zwei Monate durch das Land gereist und habe mich immer wieder einige Tage oder auch Wochen an einem neuen Ort aufgehalten. Dort habe ich die Menschen unterstützt, in dem ich auf ihre Kinder aufgepasst habe, im Garten oder auf dem Feld geholfen oder mich um die Tiere gekümmert habe.

Im Gegenzug gaben sie mir eine Unterkunft (ein Gästezimmer oder auch einen alten Wohnwagen im Nirgendwo ohne Strom & Wasser) und etwas zu essen. Eine WIN-WIN Situation also. Ein Miteinander. Es war großartig. Ich hatte alles, was ich brauchte… Habe es immer noch…

FP: Was ist Deine Botschaft an andere, die vielleicht ähnliches im Sinn haben?

Ihr habt nur dieses eine Leben. Macht das, was ihr machen wollt. Das Leben kann morgen schon vorbei sein und die Ängste die ihr habt, sind nur eine Illusion. Ihr könnt nicht wissen, ob es funktioniert oder nicht und was alles passieren könnte. Ihr müsst es ausprobieren. – Genießt es!!!

FP: Dann gibt es ja auch noch Dein Projekt „Mit 30 fängt das Leben an“ – sowohl als Blog als auch geplant als Buch. Erzähl doch mal mehr darüber!

Ja. Den Blog habe ich ins Leben gerufen als mir klar wurde, dass ich diesen Schritt –  alles kündigen (Job, Wohnung, Versicherungen) und verkaufen (Möbel, Klamotten etc.) – tatsächlich gehen werde. Ich wollte mir diesen Traum nicht alleine erfüllen, sondern so viele Menschen wie möglich daran teilhaben lassen. Sie mit auf die Reise nehmen und ihnen zeigen, wie ein solcher Weg aussehen kann.

Mein Buch fand seinen Anfang schon vor einigen Jahren, aber ich kam durch meinen Job und den damit verbundenen Stress nicht dazu, weiter daran zu schreiben. Nun nehme ich mir diese Zeit und verarbeite so auch meine Vergangenheit. Es ist eine Mischung aus Roman, Psycho-Thriller, Ratgeber und Autobiografie. Ich mag dieses typische Schubladen-Denken nicht und möchte mich somit auch nicht auf eine Rubrik festlegen. Das Leben ist ja auch nicht nur eine schöne Liebesgeschichte ODER ein einzig hoffnungsloser Psycho-Thriller. Letzteres hofft man zumindest.

Meine berufliche Situation, sowie mein Ausstieg und mein Aufenthalt in Schweden finden in dem Buch ebenfalls ausreichend Platz.

Zurzeit (bis 04.03.) läuft gerade ein Crowdfunding-Projekt. Damit sollen der Buchdruck und die Erstellung einer E-Book-Version finanziert werden.

Wer also mit dafür sorgen möchte, dass das Buch „Mit 30 fängt das Leben an“ im Oktober auf den Markt kommt, kann mich hier unterstützen, in dem er/sie das Buch vorbestellt. Es gibt auch ein Family & Friends Paket sowie die Möglichkeit, private Lesungen zu buchen. Schaut gerne mal rein unter:

www.startnext.com/mit30faengtdaslebenan

FP: Wie lebst Du heute – was machst Du derzeit und wo ist Dein Lebensmittelpunkt?

Ich musste „leider“ wieder zurück nach Deutschland kommen, weil mein Auto nicht mehr zugelassen und versichert war, da ich meinen Wohnsitz in DE komplett abgemeldet hatte. Viele meiner Freunde und Bekannte treffen mich heute mit traurigem oder unverständlichem Blick, weil sie meinen, dass mein Traum geplatzt wäre. Dem ist aber nicht so. Ich habe einen Weg eingeschlagen, von dem ich nicht wusste, wo er hinführt. Das wollte ich auch nie wissen und will es immer noch nicht. Ich bin dankbar dafür, dass seit meiner drastischen Entscheidung einfach alles auf mich zukommt.

Direkt nach meiner Rückkehr fragte mich eine Freundin, wo ich denn nun abbleiben würde. Ich antwortete, dass ich es noch nicht weiß, aber dass sich sicher etwas ergeben würde. Daraufhin bat sie mich, in eines ihrer Zimmer zu ziehen, da sie ein wenig Geld für eine größere Reise sparen wollte. Voilá!

Somit lebe ich gerade in „Der besten WG ever!“, habe mich kurzerhand mit meiner Fotografie und meiner Schriftstellerei selbständig gemacht und lebe jeden Tag wie er kommt. Leider bin ich noch nicht da angekommen, dass ich jeden Tag lebe, als wäre er mein letzter. Aber ich bin auf dem Weg dorthin!

FP: Wie siehst Du Deinen Ausstieg im Nachgang – was bedeutet dieser freiwillige Bruch mit dem „normalen“ Leben für Dich und wie ist heute Deine Lebenseinstellung? 

Ich bin der Meinung, dass ich eher endlich in das „normale“ Leben, so wie es eigentlich aussehen sollte, eingetreten bin. Wie kann es sein, dass wir unser „Leben“ tagtäglich fremd bestimmen lassen? Zum Beispiel durch einen Arbeitsplatz, den wir weniger als unsere Berufung oder unsere Leidenschaft (ich sage lieber LIEBschaft) sehen, sondern als ein MUSS um Geld zu verdienen.

Auch finde ich das Wort LEBENSEINSTELLUNG sehr spannend. Denn ist es nicht so, dass wir viel eher eine Einstellung zum Status unserer Arbeit und zum Geld haben, als zum Leben? Bei mir war das zumindest so. Ich arbeitete, um leben zu können. Hatte aber gar keine Zeit und Kraft, mein Leben tatsächlich so zu leben, wie ich es gerne wollte.

Mein Leben definiert sich heutzutage nur noch über mein Gefühl. Nicht mehr über das Geld auf meinem Konto oder über das, was ich besitze. Ich hoffe, dass das so bleibt, denn in der heutigen Gesellschaft ist es nicht einfach, sich nicht über irgendwelche Besitztümer oder einen Status zu definieren.

Mein Ausstieg war in dem Sinne eher ein Einstieg. Der Einstieg, in ein ganz individuelles eigenbestimmtes Leben.

Link zum Blog von Damaris hier.

Copyright: Peter Noßek

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